: Geständnis im ersten Programm
■ Karin Eitel soll an der Entführung eines Armeeobersten beteiligt gewesen sein / Gefoltert mit „stumpfem Gegenstand“ / Verwandte verlangen deutschen Paß für die Gefangene, weil die Familie aus Deutschland stammt
Frisch vermählt flogen sie Anfang November des letzten Jahres von Amsterdam nach Santiago: Die Sportstudentin Karin Schmidt- Wulff und ihr chilenischer Kommilitone Cristian Eitel. Sie flogen in den chilenischen Frühling, doch ihre Hochzeitsreise wurde jäh gestört: Nur zwei Tage nach der Ankunft des jungen Paars wurde Cristians Schwester von der Geheimpolizei verhaftet.
Karin Eitel – sie trägt den gleichen Vornamen wie ihre neue Schwägerin – wurde im Gebäude der Kriminalpolizei von Santiago schwer gefoltert. Am dritten Dezember, genau einen Monat nach ihrer Festnahme, strahlte das chilenische Fernsehen ihr „Geständnis“ aus: Sie bestätigte alle Punkte, die der oberste Militärstaatsanwalt Fernando Torres ihr vorgeworfen hatte. Sie gab zu, an der Entführung des chilenischen Armeeobersten Carlos Carreno beteiligt gewesen zu sein. Sie habe für die Entführer telefonisch Kontakt zur Familie des Gekidnappten gehalten und mit ihr über das Lösegeld verhandelt.
Die 26jährige Karin Eitel ist in Chile eine bekannte Sportlerin. Vor fünf Jahren wurde sie als Nationalheldin gefeiert, als sie die erste weibliche Bergsteigergruppe anführte, die in Chile und Bolivien die höchsten Andengipfel bezwang.
Als sie am dritten November des vergangenen Jahres verhaftet wurde, befand sich der Oberst Carreno schon seit fast zwei Monaten in der Gewalt der linken Guerilla-Gruppe „Frente Patriotico Manuel Rodriguez“. Die Gruppe hatte von der wohlhabenden Familie Carrenos verlangt, daß sie Lebensmittel und Kleidung im Wert von rund 150.000 Mark in die Slums von Santiago liefert. Nachdem diese Forderung erfüllt worden war, ließen die Entführer den Obersten am zweiten Dezember in Brasilien frei. Die Entführung des Obersten Carreno war eine schwere Schlappe für das chilenische Militär. Die Fahndung nach den Tätern brachte keinen Erfolg – außer dem „Geständnis“ der Karin Eitel. Dieses „Geständnis“ will Staatsanwalt Fernando Torres im Prozeß als Beweismittel gegen Karin Eitel vorbringen.
Fast seit dem dritten Tag ihrer Ankunft steht Karin Schmidt- Wulff mitten in den Strudeln der chilenischen Innenpolitik. Zusammen mit der Familie Eitel bemüht sie sich um internationale Öffentlichkeit und um die Freilassung ihrer Schwägerin. Größte Hoffnungen setzen sie dabei auf die deutsche Botschaft. Sie soll Karin Eitel einen deutschen Paß ausstellen, denn die Familie Eitel ist deutscher Abstammung. Eine „Anspruchseinbürgerung“ von Ausländern deutscher Herkunft ist möglich, wenn der Großvater die deutsche Staatsbürgerschaft besessen hat. Das muß der Botschaft nun anhand von Papieren bewiesen werden.
Das Bonner Auswärtige Amt teilte mit, daß die Botschaft zur Zeit überprüft, ob eine Einbürgerung von Karin Eitel „rechtlich möglich und opportun“ ist.
Selbst wenn Karin Eitel auf diesem Wege einen deutschen Paß bekäme, würde das noch nicht ihre Freilassung bedeuten. Immerhin würde sie aber den Rechtsschutz der deutschen Botschaft bekommen, und das kann in Chile sehr viel bedeuten.
Karin Eitel ist wenige Wochen nach ihrer Verhaftung aus dem Gebäude der Kriminalpolizei in das Frauengefängnis von San Miguel verlegt worden. Aber auch dort wird sie in Isolierhaft gehalten. Beim Appellationshof von Santiago hat ihre Familie durchgesetzt, daß Karin Eitel von einem Gerichtsarzt untersucht wird. Der Arzt attestierte schwere Verletzungen, herbeigeführt „mit einem stumpfen Gegenstand“, am Kopf, Nacken und an der Brust. Michael Weisfeld
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