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Gespräch zu Judenfeindlichkeit"Antisemitismus bleibt ein Problem"

Die Bekämpfung von Judenfeindlichkeit ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Der Politikwissenschaftler Lars Rensmann über unsachliche Debatten und wirkliche Gefahren.

Antisemitismus muss mit deutlichen Zeichen weiter bekämpft werden. Bild: ap

taz: Wir haben mal wieder zwei Antisemitismus-Debatten gleichzeitig: einmal um Aussagen des Wirtschaftswissenschaftlers Sinn, das andere Mal um eine geplante Erklärung des Bundestages zum Antisemitismus. Sind die Deutschen besessen von diesem Thema?

Lars Rensmann: Das glaube ich nicht. Antisemitismus stellt ja nicht nur für die deutsche Demokratie eine politische Herausforderung dar, sondern begegnet uns europaweit - genauso wie entsprechende Debatten. Es ist nicht absehbar, dass Antisemitismus als Problem in den nächsten Jahren verschwinden wird. Wir werden uns deshalb weiter damit zu befassen haben.

Gibt es in der deutschen Elite, siehe Sinn, einen anti-antisemitischen Konsens? Macht sich unmöglich, wer antisemitische Aussagen tätigt?

Bild: privat

Lars Rensmann (38), lehrt Politikwissenschaft an der University of Michigan. Jüngst erschienen ist "Feindbild Judentum: Antisemitismus in Europa", Verlag Berlin-Brandenburg (hg. gemeinsam mit Julius H. Schoeps).

Die Reaktion auf Sinns abstruse Gleichsetzung des Weimarer Antisemitismus mit der Kritik an verantwortungslosen Bankern indiziert, dass dieser Konsens öffentlich funktioniert. Es gibt aber auch Anzeichen, dass in den letzten Jahren etablierte Diskursgrenzen erodiert sind und sich judenfeindliche Vorurteile neue Wege und Legitimität verschafft haben. Antisemitismus bleibt ein Problem der Gesellschaft.

Aktuell gibt es Warnungen, die deutsche Wirtschaft unterstütze mit ihren Exporten de facto ein mögliches Atomwaffen-Programm des Iran - manche sagen gar, man helfe bei einem drohenden zweiten Holocaust. Ist das nicht übertrieben?

Das ist ein sehr drastisches Szenario. Solche Analogien halte ich für sehr problematisch. Richtig ist, dass die nukleare Aufrüstung und die Drohungen gegen Israel sehr ernst zu nehmen sind. Bei den weiterhin florierenden Geschäften der deutschen Wirtschaft mit dem Iran müsste die Bundesregierung stärker als bisher intervenieren und politische sowie ökonomische Sanktionen umsetzen. Hieran sollte sich Antisemitismusbekämpfung und ebenso Menschenrechtspolitik im internationalen Rahmen messen lassen. Dies ist im Übrigen auch die beste Abrüstungs- und Anti-Kriegspolitik.

Was zeigt uns die Unfähigkeit des gesamten deutschen Bundestages, eine gemeinsame Erklärung gegen den Antisemitismus zu zimmern?

Die Antisemitismus-Kritik sollte nicht instrumentell eingesetzt werden. Natürlich haben noch Teile der Partei "die Linke" ein nicht aufgearbeitetes Antizionismus-Problem. Daran hätte aber eine gemeinsame Erklärung im Bundestag nicht scheitern sollen. Ich hätte mir gewünscht, dass es eine gemeinsame Lösung gegeben hätte, nicht einen Alleingang der Regierungskoalition.

Aber sticht da die Unions-Kritik an den Linken nicht: Wer dieses Problem bei sich habe, dem wolle man nicht helfen, sich reinzuwaschen, indem man ihm erlaube, eine gemeinsame Resolution gegen Antisemitismus zu unterschreiben?

Nein. Zunächst muss man differenzieren statt zu polarisieren. Es ist ja nicht so, dass die CDU/CSU keine Geschichte aufzuarbeiten hätte. Und gerade eine solche gemeinsame Erklärung insbesondere zu einem Beauftragten und zu einem jährlichen Bericht zur Antisemitismusbekämpfung legitimiert die Chance, sich auf breiter Basis mit Judenfeindschaft auseinanderzusetzen - also auch mit dem Erbe der DDR, und mit manchen "neuen" Formen wie der Gleichsetzung von Israel mit Nazi-Deutschland. Dies würde den öffentlichen Druck erhöhen, das Thema nicht unter den Tisch zu kehren.

INTERVIEW PHILIPP GESSLER

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9 Kommentare

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  • D
    dernoergler

    Die Diskussionen, die in Deutschland zum Thema Antisemitismus geführt werden, sind leider nie wirklich differenziert. Die einen reden von Juden und verurteilen antisemitische Tendenzen, die anderen sprechen vom Staate Israel und verurteilen dessen Politik. Und trotzdem glauben beide, sie sprächen von derselben Sache; gerade so, als wenn jeder Jude die Politik in Israel unterstützen würde und als wenn es dort keine Opposition gäbe.

     

    Natürlich ist Antisemitismus verwerflich, und niemand, weder Juden, noch Muslime, noch Christen, noch Atheisten sollten aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden. Aber Israel ist nicht "die Juden", Israel ist ein Staat, der hauptsächlich von Juden geprägt ist, und er diskriminiert Araber, wie einstmals auch Juden diskriminiert wurden. Kritik an der Realpolitik Israels muss darum erlaubt sein, wie es geboten ist, nicht "die Juden" zu diskriminieren, weil sie Juden sind. Denn wie "die Deutschen" gibt es auch "die Juden" nicht, Aussagen, die das implizieren, sind schlicht dumm. Kritik am Staate Israel ist nämlich stets Kritik an seiner Führung, so wie man jahrelang die Bush-Administration verurteilt hat, ohne gleich allen Amerikanern ihr Lebensrecht abzusprechen oder so ein Quatsch.

     

    Durch diese positive Diskriminierung der Juden und Israels unterstützen wir schließlich deren "Sonderling"-Status und öffnen rechten Hetzern Tür und Tor. Juden sind auch "nur" Menschen.

    (Und wenn man nun Juden aufgrund des Holocaust einen Sonderstatus zuweist, warum dann nicht Sinti oder Roma? Die werden heute noch auf das Schlimmste diskriminiert, man schaue nur einmal nach Italien.)

  • K
    Karl

    Ursachenbeseitigung?

     

    Guter Vorschlag, dann sollte aus einer Sachdiskussion auch endlich der aus dem vorletzten Jahrhundert mittgeschleppte und wissenschaftlich nicht haltbare Terminus "Rasse" endlich entsorgt werden. Dazu verweise ich auf diegültigen Nomenklaturregeln zur Bezeichnung der Mammalia.

    Nur Dummköpfe und Versager verwenden einen aus der hintersten rechten Ecke der "Rassenlehre" stammenden Begriff, ein Kunstwort das nur aus ideologischen Motiven noch verwendet wird.

     

    Leider war und ist die Einschätzung einer religiösen Orientierung nur allzu leicht Projektionsfläche für Vorurteile. Schwierig hier die Ursachen abzuschaffen.

     

    Glück auf.

     

    Karl

  • GT
    Guenther Troege

    Die Debatten und Aktionen zum Thema Antisemitismus

    sind m.E. nach unvollständig weil diese sich nicht zugleich den Ursachen widmet.Kein Arzt heilt einen Kranken wenn er nicht zugleich die Ursachen der Erkrankung beseitigt.Genauso müsste es auch in der Politik sein,ist es aber nicht. Es ist eben leichter über Probleme zu debattieren und dabei auch noch Geld zu verdienen,als die Ursachen zu beseitigen.

  • D
    dernoergler

    Die Diskussionen, die in Deutschland zum Thema Antisemitismus geführt werden, sind leider nie wirklich differenziert. Die einen reden von Juden und verurteilen antisemitische Tendenzen, die anderen sprechen vom Staate Israel und verurteilen dessen Politik. Und trotzdem glauben beide, sie sprächen von derselben Sache; gerade so, als wenn jeder Jude die Politik in Israel unterstützen würde und als wenn es dort keine Opposition gäbe.

     

    Natürlich ist Antisemitismus verwerflich, und niemand, weder Juden, noch Muslime, noch Christen, noch Atheisten sollten aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden. Aber Israel ist nicht "die Juden", Israel ist ein Staat, der hauptsächlich von Juden geprägt ist, und er diskriminiert Araber, wie einstmals auch Juden diskriminiert wurden. Kritik an der Realpolitik Israels muss darum erlaubt sein, wie es geboten ist, nicht "die Juden" zu diskriminieren, weil sie Juden sind. Denn wie "die Deutschen" gibt es auch "die Juden" nicht, Aussagen, die das implizieren, sind schlicht dumm. Kritik am Staate Israel ist nämlich stets Kritik an seiner Führung, so wie man jahrelang die Bush-Administration verurteilt hat, ohne gleich allen Amerikanern ihr Lebensrecht abzusprechen oder so ein Quatsch.

     

    Durch diese positive Diskriminierung der Juden und Israels unterstützen wir schließlich deren "Sonderling"-Status und öffnen rechten Hetzern Tür und Tor. Juden sind auch "nur" Menschen.

    (Und wenn man nun Juden aufgrund des Holocaust einen Sonderstatus zuweist, warum dann nicht Sinti oder Roma? Die werden heute noch auf das Schlimmste diskriminiert, man schaue nur einmal nach Italien.)

  • K
    Karl

    Ursachenbeseitigung?

     

    Guter Vorschlag, dann sollte aus einer Sachdiskussion auch endlich der aus dem vorletzten Jahrhundert mittgeschleppte und wissenschaftlich nicht haltbare Terminus "Rasse" endlich entsorgt werden. Dazu verweise ich auf diegültigen Nomenklaturregeln zur Bezeichnung der Mammalia.

    Nur Dummköpfe und Versager verwenden einen aus der hintersten rechten Ecke der "Rassenlehre" stammenden Begriff, ein Kunstwort das nur aus ideologischen Motiven noch verwendet wird.

     

    Leider war und ist die Einschätzung einer religiösen Orientierung nur allzu leicht Projektionsfläche für Vorurteile. Schwierig hier die Ursachen abzuschaffen.

     

    Glück auf.

     

    Karl

  • GT
    Guenther Troege

    Die Debatten und Aktionen zum Thema Antisemitismus

    sind m.E. nach unvollständig weil diese sich nicht zugleich den Ursachen widmet.Kein Arzt heilt einen Kranken wenn er nicht zugleich die Ursachen der Erkrankung beseitigt.Genauso müsste es auch in der Politik sein,ist es aber nicht. Es ist eben leichter über Probleme zu debattieren und dabei auch noch Geld zu verdienen,als die Ursachen zu beseitigen.

  • D
    dernoergler

    Die Diskussionen, die in Deutschland zum Thema Antisemitismus geführt werden, sind leider nie wirklich differenziert. Die einen reden von Juden und verurteilen antisemitische Tendenzen, die anderen sprechen vom Staate Israel und verurteilen dessen Politik. Und trotzdem glauben beide, sie sprächen von derselben Sache; gerade so, als wenn jeder Jude die Politik in Israel unterstützen würde und als wenn es dort keine Opposition gäbe.

     

    Natürlich ist Antisemitismus verwerflich, und niemand, weder Juden, noch Muslime, noch Christen, noch Atheisten sollten aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden. Aber Israel ist nicht "die Juden", Israel ist ein Staat, der hauptsächlich von Juden geprägt ist, und er diskriminiert Araber, wie einstmals auch Juden diskriminiert wurden. Kritik an der Realpolitik Israels muss darum erlaubt sein, wie es geboten ist, nicht "die Juden" zu diskriminieren, weil sie Juden sind. Denn wie "die Deutschen" gibt es auch "die Juden" nicht, Aussagen, die das implizieren, sind schlicht dumm. Kritik am Staate Israel ist nämlich stets Kritik an seiner Führung, so wie man jahrelang die Bush-Administration verurteilt hat, ohne gleich allen Amerikanern ihr Lebensrecht abzusprechen oder so ein Quatsch.

     

    Durch diese positive Diskriminierung der Juden und Israels unterstützen wir schließlich deren "Sonderling"-Status und öffnen rechten Hetzern Tür und Tor. Juden sind auch "nur" Menschen.

    (Und wenn man nun Juden aufgrund des Holocaust einen Sonderstatus zuweist, warum dann nicht Sinti oder Roma? Die werden heute noch auf das Schlimmste diskriminiert, man schaue nur einmal nach Italien.)

  • K
    Karl

    Ursachenbeseitigung?

     

    Guter Vorschlag, dann sollte aus einer Sachdiskussion auch endlich der aus dem vorletzten Jahrhundert mittgeschleppte und wissenschaftlich nicht haltbare Terminus "Rasse" endlich entsorgt werden. Dazu verweise ich auf diegültigen Nomenklaturregeln zur Bezeichnung der Mammalia.

    Nur Dummköpfe und Versager verwenden einen aus der hintersten rechten Ecke der "Rassenlehre" stammenden Begriff, ein Kunstwort das nur aus ideologischen Motiven noch verwendet wird.

     

    Leider war und ist die Einschätzung einer religiösen Orientierung nur allzu leicht Projektionsfläche für Vorurteile. Schwierig hier die Ursachen abzuschaffen.

     

    Glück auf.

     

    Karl

  • GT
    Guenther Troege

    Die Debatten und Aktionen zum Thema Antisemitismus

    sind m.E. nach unvollständig weil diese sich nicht zugleich den Ursachen widmet.Kein Arzt heilt einen Kranken wenn er nicht zugleich die Ursachen der Erkrankung beseitigt.Genauso müsste es auch in der Politik sein,ist es aber nicht. Es ist eben leichter über Probleme zu debattieren und dabei auch noch Geld zu verdienen,als die Ursachen zu beseitigen.