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Gesperrte Videos im NetzRoboter löschen US-Demokraten

Automatische Filter löschen gerne mal wahllos Videos im Netz, weil vermeintlich Copyright verletzt wird. Nun hat es die US-Demokraten erwischt.

Ein Video mit vielen Besitzern. Bild: screenshot: taz

BERLIN taz | Es hat etwas von einer finsteren Zukunftsvision: Roboter verbieten Präsidenten der Vereinigten Staaten das Wort. Und nicht nur ihm. Auch Forscher und Künstler lassen sie schweigen. Das ist nicht Stoff eines Romans, sondern gerade passiert.

Als die US-Demokraten am Dienstagabend eine Aufzeichnung des ersten Tages auf Youtube hochlud, blieb es nur wenige Minuten im Netz. Dann erschien die Mitteilung: Dieses Video enthält geschütztes Material von ziemlich vielen Rechteinhabern, die sich aufs Copyright berufen und das Video blockieren. Vermutlich zu Unrecht. Jetzt läuft es als „Privates Video".

Am Sonntag zuvor hatte sich der Bestseller-Autor Neil Gaiman auf der Worldcon, der weltgrößten Science-Fiction-Versammlung, für den Hugo Award, dem Oscar für Science-Fiction-Autoren, bedankt. Und genau wie bei den echten Oscars wurde die Preisverleihung weltweit übertragen. Zumindest solange, bis sie auf einmal abbrach, ein schwarzes Bild erschien und zu lesen war: „Worldcon banned due to copyright infringement“ – die Übertragung der Worldcon wurde wegen Urheberrechtsverletzungen gestoppt.

Urheberrecht beschränkt freie Rede

Beide Male sind Programme schuld, die kontrollieren ob auf Seiten wie Youtube ein Video gegen das Urheberrecht verstößt. Wenn das der Fall ist, blockieren sie es sofort. Nur manchmal treffen sie eben nicht das Richtige. „Unsere Möglichkeit zu übertragen hing von schlecht programmierten Robotern ab“, schreibt Annalee Newitz, Chefredakteurin des Blogs io9 und Mitorganisatorin der Hugo Awards. Nachdem die falsche Entscheidung getroffen war, sei es unmöglich gewesen, die Übertragung wieder zu beginnen. „Falls noch irgendwer glaubt, Copyright-Gesetze könnten das Recht auf freie Rede nicht beschränken, den hat die automatische Zensur des Hugo Awards eines Besseren belehrt“, schreibt sie.

Eingesetzt werden die Programme auf Grundlage des Digital Millenium Copyright Act, den Bill Clinton 1998 unterzeichnete. Er verpflichtet Seiten wie Youtube dazu, sofort bei Urheberrechtsverletzungen zu reagieren und die Inhalte zu sperren.

Auch das Youtube-Video der Demokraten haben die Programme gestoppt. Für den Präsidenten ist das ärgerlich, denn die Videos sind wichtiger Bestandteil seiner Kampagne. Welcher angebliche Rechteinhaber die Sperre verlangte, ist bisher nicht bekannt. Ein ganz neues Phänomen ist das aber nicht: Regelmäßig werden etwa Videos der NASA gelöscht. Zuletzt bei der Marslandung der Curiosity, dessen Video mehrere Stunden nicht verfügbar war. Dabei ist es steuerfinanziert und somit keinem US-Copyright zugänglich.

Fehlende Neutralität kann man den Programmen aber nicht vorwerfen: Im Juli sperrten sie bereits ein Video von Obamas Kontrahenten Mitt Romney.

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4 Kommentare

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  • D
    Demokratie-Troll

    An solchen Pannen zeigt sich doch nur, dass diese Kontroll- und Auswahlsysteme nicht zufällig, sondern im Prinzip manipulativ sind. Was bitte ist denn die gute Auswahl, die angemessene Zensur, das gut funktionierende Programm? Die wirkliche Gefahr ist daran doch die Undurchschaubarkeit der Prozesse seitens des Konsumenten; er kann nicht wissen, wie der Informationsfluss gelenkt wird und wenn es ihm auffällt, hat er ja fast schon Glück gehabt.

    Überwachen, auswählen, filtern, manipulieren: Derartiges kann man wohl kaum als Unfall betrachten, vielmehr sollte man zur Kenntnis nehmen, es ist Teil des Systems, nämlich der dahinter stehenden Machtinteressen - seien sie nun ökonomischer oder politischer Natur. Freiheit ist, wenn das Kontrollprogramm mal Pause macht, also die Störung des Systems, nicht dessen Funktionieren.^^

  • M
    Marcus

    Schuld ist der Gesetzgeber, der Unternehmen zum Einsatz einer Technologie zwingt, die den Anforderungen (noch lange) nicht gewachsen ist, um die Contentmafia zu befriedigen.

    Collateralschäden werden dabei gerne in Kauf genommen.

     

    Gerade bei technologischen Belangen wäre etwas weniger Realitätsferne des Gesetzgebers -auch hierzulande- wünschenswert.

  • S
    Spinozafreund

    @Günter Schütz

    Informatiker? Eher Korintenkacker. Arbeite dich nicht an der plakativen Roboter-Metapher ab, sondern setz dich lieber mit dem Inhalt des Textes auseinander. (Oder hast du zu dieser kranken Entwicklung keine Meinung, und wolltest nur mal was schreiben?) Die Content-Mafia ist die Pest der freien Informationsgesellschaft, *das* ist das Thema...

  • GS
    Günter Schütz

    Hallo,

     

    als Informatiker kann ich den Anfang nur schlecht verkraften. Es ist ja eben genau nicht so, dass der Roboter (also der Computer) das Video verboten hätte. Das setzte eine Kreativität voraus, die Computern nicht gegeben ist. Vielmehr ist dann immer entweder der Programmierer oder der Benutzer "schuld". Gelegentlich sind nicht alle Gegebenheien bedacht in einer Computer-Anwendung, zumal die einzelnen Objekte in einem Rechner-System unabhängig voneinander funktionieren.

     

    Also bitte: IRobot ist wirklich nur ein Film, also Fiktion. Das gibt es nicht.

     

    Gruß, Günter