: Gesinnungs-Bottroper
Bottrops SPD-Oberbürgermeister Löchelt feierte sein 50. Dienstjubiläum. Innenminister Behrens überreichte gestern den NRW-Verdienstorden
AUS BOTTROPMARTIN TEIGELER
Ernst Löchelt ist ein kleiner türkischer Junge. Beim Festakt anlässlich des 50. Dienstjubiläum des Bottroper Oberbürgermeisters spielten die „Awo-Kids“ die wichtigsten Stationen im Leben des SPD-Politikers nach. Die jungen Bottroper aus den Kindergärten der Arbeiterwohlfahrt stellten den Jubilar als jungen Beamten, Personalrat und Oberbürgermeister dar. Der 66-jährige Löchelt musste lachen, weil die Kinder seine Leibesfülle mit dicken Kissen unter der Kleidung imitierten. Verlegen, fast ein bisschen gerührt bedankte sich der Sozialdemokrat bei den Schauspielern für das biographische Theaterstück. Und rang um Worte, nachdem die Kinder gesungen hatten: „Wie schön, dass Du geboren bist.“
Es war eine sentimentale Veranstaltung, gestern im Saalbau der Stadt Bottrop. Die Ehrung eines der dienstältesten Verwaltungschefs des Landes geriet zu einer Zeitreise durch ein halbes Jahrhundert sozialdemokratischer Herrschaft im Ruhrgebiet. Die 120.000-Einwohner-Stadt mit der großen Zechentradition, mit dem noch relativ glimpflich ablaufenden Strukturwandel feierte mit ihrem Ersten Bürger auch ihre eigene Geschichte. Im Publikum waren die Granden der Revier-SPD versammelt. Alte Vertreter des „Systems Johannes Rau“ wie Ex-WestLB-Chef Friedel Neuber, neue Karrieristen wie NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek, die übrig gebliebenen SPD-Rathauschefs anderer Ruhrstädte – alle waren gekommen, 700 insgesamt.
„Ich habe dich als Stadtoberhaupt mit Fachverstand erlebt, als Kommunalpolitiker mit Blick für das Machbar“, lobte Tennisfreund und NRW-Innenminister Fritz Behrens den gebürtigen Bottroper. Behrens rief die Verwaltungslaufbahn seines Tennis-Partners in Erinnerung: 1954 Dienstanwärter, 1963 Stadtinspektor, 1976 Leiter des Hauptamtes, 1987 Oberstadtdirektor, 1995 Oberbürgermeister. „Gestaltungskraft, Bodenhaftung und Nähe zur Jugend“, seien die großen Fähigkeiten Löchelts, lobte Behrens und entschuldigte sowohl NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück als auch Bundespräsident Rau, die nicht zum Festakt kommen konnten. Bei der Verleihung des NRW-Verdienstordens an Löchelt sagte Behrens: „Bis jetzt haben den Landesorden erst wenig mehr als 1.000 Personen erhalten.“
Dortmunds SPD-OB Gerhard Langemeyer lobte Löchelts Beitrag für den Strukturwandel, den zähen Umbau der Zechenstadt zur „Dienstleistungs- und Freizeitmetropole“: IBA, Warner-Bros-Movie, selbst die finanziell bedrängte Skihalle Alpincenter fand Erwähnung. Auch Münsters CDU-Regierungspräsident Jörg Twenhöven lobte den gelungenen Strukturwandel in der Revierstadt, sprach gar vom „Wunder von Bottrop“ und überreichte Löchelt schließlich die Jubiläumsurkunde – die Bergkapelle Prosper Haniel spielte dazu „Glück auf, der Steiger kommt!“
In seiner Dankesrede zitierte sich Löchelt den Spruch des gebürtigen Bottropers August Everding: „Bottrop ist nicht nur eine Stadt, sondern eine Gesinnung.“ Der Gesinnungsbottroper bedankte sich in seiner 20-minütigen Ansprache bei so ziemlich jedem Wegbegleiter in fünfzig Dienstjahren und beschwor unprätenziös, rhetorisch verhalten die klassischen sozialdemokratischen Tugenden: Solidarität und Gemeinsinn.
Man mag die Nase rümpfen über soviel verbrämte Ruhrgebiets-Gemütlichkeit, über die Philantropie des Berufspolitikers Löchelt. In ihrer Zeit, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sie echt. Mit stehenden Ovationen feierten die Gäste am Ende den Jubilar. Im Herbst geht Ernst Löchelt in Pension.