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Archiv-Artikel

Gesicht wahren missglückt

STRESSTEST Der Test, dem sich das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 unterziehen muss, ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Gegner und Befürworter des Vorhabens bei ihrer Schlichtung im vergangenen Jahr einigen konnten. Eigentlich

VON RICHARD ROTHER

BERLIN taz | Mit dem Stresstest, der nichts weiter als eine umfangreiche Computersimulation der Leistungsfähigkeit des geplanten neuen Tiefbahnhofes ist, konnten Gegner und Befürworter ihr Gesicht wahren – und die Zeit bis zu den baden-württembergischen Landtagswahlen im März überbrücken. CDU und SPD befürworten das Milliardenprojekt; die Grünen lehnen die Pläne der bundeseigenen Deutschen Bahn als zu teuer und verkehrspolitisch nutzlos ab. Mittlerweile führen die Grünen eine grün-rote Landesregierung an, der Stresstest war für sie eine Möglichkeit, das Projekt doch noch zu Fall zu bringen.

Denn in der Schlichtung wurde vereinbart, dass der neue Tunnelbahnhof 30 Prozent leistungsfähiger sein muss als der bisherige Kopfbahnhof, der als einer der effektivsten in Europa gilt. Die Leistungsfähigkeit eines Bahnhofes bemisst sich daran, wie viele Züge in einer bestimmten Zeit abgefertigt werden können. Wichtig ist dabei nicht, wie viele Züge es an einem Tag sein können – wer will schon um 3.45 Uhr losfahren oder ankommen –, sondern wie viele es zu bestimmten nachfragestarken Zeiten sind. Vereinbart wurde also, die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofes zwischen 7 und 8 Uhr morgens zu testen, weil dann besonders viele Berufspendler unterwegs sind.

Wichtiges Kriterium ist dabei nicht nur, wie viele Züge auf den acht geplanten Gleisen maximal durchgeschleust werden könnnen – sondern ob diese Züge auch auf realistischen Relationen verkehren. Es bringt ja nichts, beispielsweise sechs Züge pro Stunde aus einem kaum bewohnten Vorortdorf durch den Bahnhof zu schicken, wenn diese weitgehend leer sind, während es auf stark nachgefragten Relationen einen Stau gibt. Zudem wird bei einem Leistungstest nicht nur die Kapazität der Schienen, sondern auch die der sonstigen Infrastruktur überprüft, also auch der Signale, der Leit- und Sicherungstechnik. Entscheidend für einen zu entwickelnden Fahrplan sind auch die Höhenprofile sowie die Geschwindigkeitsvorgaben, da sie bestimmen, wie schnell Züge ein- und ausfahren können.

Um das Ergebnis des Stresstests bewerten zu kennen, muss man also viele Details kennen – und den zu Grunde gelegten Annahmen zustimmen. Der Schlichter Heiner Geißler (CDU) hat daher angekündigt, das Ergebnis des Stresstests nur dann zu verkünden, wenn sich zuvor Gegner und Befürworter des Projektes auf die zu Grunde gelegten Annahmen geeinigt hätten. Am Wochenende ist nun möglicherweise aus dem Umfeld der Bahn durchgesickert, dass der offiziell 4,1 Milliarden Euro teure Bahnhof den Stresstest bestanden hat. Demnach ist es nicht notwendig, ein neuntes oder zehntes Gleis zu planen, um die gewünschte Kapazität zu erzielen; dies hätte den Tunnelbahnhof deutlich verteuert. Die Bahn hat demnach die Abläufe am Stuttgarter Bahnhof monatelang am Computer simuliert; dabei wurden auch mögliche Störungen durch Verspätungen eingebaut. Ergebnis: Zwischen 7 und 8 Uhr morgens könnten bis zu 49 Züge abgefertigt werden, heute sind es 37 Züge.

Allerdings: Den Stresstest hat, wie in der Schlichtung vereinbart, die Deutsche Bahn selbst durchgeführt. Nun muss er noch von unabhängigen Experten, der Schweizer Bahnberatungsfirma SMA Partner, testiert werden – auch das wurde in der Schlichtung vereinbart. Die Firma, die sich dazu gestern nicht äußern mochte, arbeitet aber nach eigenen Angaben bereits bei der Konzeption des zu simulierenden Fahrplans mit und überwacht die Simulation der Bahn. Das Ergebnis des Stresstests soll am 14. Juli verkündet werden.