Gesetzesnovelle im polnischen Parlament: Sechs Tage vorher ankündigen
Präsident und Parlament streben an, die Verfassungsrechte der Bürger einzuschränken. Damit sich die Polizei besser gegen Ausschreitungen wappnen kann.
WARSCHAU taz | Polens Parlament will die Versammlungsfreiheit einschränken. Der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, hat das Gesetz bereits mit den Stimmen der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) durchgewunken. Nun muss noch die zweite Kammer, der Senat, zustimmen. Es ist bereits die zweite Gesetzesnovelle, die auf Initiative von Präsident Bronislaw Komorowski Bürgerrechte einschränken soll. Angeblich geschieht dies „zum Schutz“ der Bürger selbst. Diese aber protestieren lautstark.
Schon das erste Gesetz, das Komorowski als neu gewählter Präsident auf den Weg gebracht hatte, war auf heftigen Widerspruch gestoßen. Minister, Bürgermeister und andere Amtsvorsteher müssen heute keine Auskunft mehr darüber geben, aufgrund wessen Expertise sie eine Entscheidung treffen. Umweltschützer hatten zuvor moniert, dass die angeblichen „Energie-Experten“, die die Regierung zu Rate ziehe, zum größten Teil der Kohle- und Atomlobby angehörten und daher nicht als „objektiv“ einzustufen seien. Doch Sejm und Senat, in denen die regierende PO mit Premier Donald Tusk an der Spitze die Mehrheit stellt, nahmen das Gesetz an.
Nach der Beschränkung der Informationsfreiheit will Präsident Komorowski nun die Versammlungsfreiheit einschränken. Demonstrationen müssen demnächst sechs Tage vorher angekündigt werden. Dies soll den Behörden Zeit zur Überprüfung der Sicherheitslage geben. Anlass waren die gewalttätigen Ausschreitungen am Nationalfeiertag im Vorjahr.
Über 30 Nichtregierungsorganisationen mit der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte als Wortführer protestieren gegen die Gesetzesnovelle mit dem Argument, im Zeitalter von Internet und Computer sei es kein Problem, schnell an Informationen zu kommen. Zudem sei kein Gericht Polens in der Lage, die Nichtgenehmigung einer Demonstration innerhalb von 24 Stunden zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Die Nichtgenehmigung komme somit einem Verbot gleich, da eine Demonstration nach dem eigentlich geplanten Termin häufig sinnlos sei. Die Gesetzesnovelle berücksichtige zudem spontane Demonstrationen überhaupt nicht.
Anders als beim ersten Mal schloss sich der Gesetzgebungsausschuss des Senats den Argumenten der NGOs an und empfahl am Donnerstag, die Novelle zu verwerfen. Da Mehrheit der Senatoren der regierenden PO angehört, steht zu befürchten, dass sie dem Gesetz zustimmt.
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