Gesetz zum Arzneimittelmarkt: Teure Sparpläne

Gesundheitsminister Rösler verspricht, die Pillenpreise zu bändigen. Doch seine Reform könnte vielmehr den Versicherten schaden und den Pharmakonzernen helfen.

Pille hin oder her. Am Ende muss das Geld stimmen - wohl leider nur für die Pharmakonzerne. Bild: dpa

KASSEL taz | "Rösler greift Preismonopol der Pharmabranche an", "Niedrigere Arzneipreise per Gesetz" - das Jahr war noch jung, als Philipp Rösler (FDP) solche Schlagzeilen erntete. Der Bundesgesundheitsminister hatte forsch Sparvorschläge zulasten der Pharmaindustrie angekündigt. Inzwischen sind seine Pläne zu Paragrafen geronnen. Doch der Entwurf für ein Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (Amnog) zeigt, dass die Pharmaindustrie nicht zu den Verlierern der Neuregelungen gehören muss.

Künftig soll für Streitigkeiten über die Vergabe von Arzneirabattverträgen nicht mehr die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sein. Entscheiden sollen Kammern der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs, die eher auf Wirtschaftsfragen spezialisiert sind. Die Änderung könnte der Pharmaindustrie nutzen.

"Das Rabattsystem hat zu Einsparungen im Milliardenbereich geführt", erklärt Ernst Hauck, Mitglied des für Krankenversicherungsfragen zuständigen Ersten Senats am Bundessozialgericht in Kassel: "Die Unternehmen haben daran natürlich kein Interesse. Sie dürften auf die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte hoffen."

Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), bislang Vorreiter in Sachen Rabattverträge, befürchten eine Fülle neuer Klagen und eine lange Blockade neuer Abschlüsse. Ihre Sorge kommt nicht von ungefähr: Um Spar-Instrumente der Kassen zu kippen, hat sich die Pharmaindustrie bereits mehrfach bis vor den Europäischen Gerichtshof geklagt. Rabattverträge waren schon einmal jahrelang blockiert, bis in Luxemburg ein Urteil fiel.

Doch nicht nur die Kassen müssen bangen, sondern auch die Versicherten. Denn die Reform berührt auch das Recht jedes Versicherten auf "ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche" Leistungen. "Die Sozialrichter, die jetzt über die Vergabe von Verträgen urteilen, kennen die Vielschichtigkeit der Probleme und verhindern, dass es zu Einschränkungen des Angebots für die Versicherten kommt", sagt Bundesrichter Hauck.

Auch den Experten, deren Arbeitsfeld nicht direkt betroffen ist, machen die Koalitionspläne Sorgen. "Sozialgerichte haben im Zweifel eher die Versicherten und die Solidargemeinschaft im Fokus", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete und Jurist Edgar Franke. Er vertritt seine Partei nicht nur im Gesundheits-, sondern auch im Rechtsausschuss. Dort beobachtet er, wie in vielen Bereichen der Sozialpolitik mehr Wettbewerbsrecht etabliert werden soll. Frankes Einschätzung: "Schwarz-Gelb strebt an, die Zuständigkeiten der Sozialgerichte zu minimieren oder gar abzuschaffen."

Röslers Gesetzentwurf dreht nicht nur an den gerichtlichen Zuständigkeiten, es räumt zugleich den Kartellbehörden mehr Recht auf Kontrolle der Krankenkassen ein. So könnte den AOKs verboten werden, ihre Rabattverträge gemeinsam auszuschreiben. Denn "derartige Praktiken von Krankenkassen" werden in der Gesetzesbegründung ausdrücklich kritisiert. Gerade das Auftreten als Riesenabnehmer ermöglicht es den AOKs allerdings, Arzneipreise besonders stark zu drücken.

Die geplante Kartellamtszuständigkeit geht Bundesrichter Hauck zu weit. Durch die "pauschale Regelung" sieht er Fundamente der sozialen Krankenversicherung verletzt. Nämlich den Grundsatz, dass Krankenkassen "eben keine Unternehmen sind, bei denen es um Gewinne geht".

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