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Archiv-Artikel

Gesellschaftsereignis Rot-Gelb

Frei- und Sozialdemokraten gehen in Berlin zusammen essen – in „angenehmer Atmosphäre“. Von sozialliberaler Annäherung ist in der NRW-Landespolitik allerdings noch nichts zu spüren

VON MARTIN TEIGELER

Was Rote und Gelbe wohl gespeist haben im Berliner Restaurant „Maxwell“? Die Rote Beete Meerrettichsuppe für sechs Euro oder die Geflügelconsommé mit Zitronengras à sieben Euro? Jedenfalls haben sich FDP- und SPD-Bundestagsabgeordnete zu Wochenbeginn getroffen – ganz schick zum Essen. Mit dabei waren die NRW-Genossen Ulrich Kelber (Bonn) und Angelika Schwall-Düren (Coesfeld) sowie die Liberalen Daniel Bahr (Münster) und Michael Kauch (Dortmund).

Es sei nicht um Koalitionsgespräche oder politische Geheimverhandlungen gegangen, beteuert Sozialdemokrat Kelber: „Es ist einfach sinnvoll, sich kennenzulernen, um zu wissen, wie der andere tickt.“ FDP-Jungpolitiker Bahr lobte hinterher die „angenehme Atmosphäre“ und die Medien haben ihr Thema. Nach Jamaika- und Ampelkoalitionen ist nun Sozialliberal das neue Ding – zumal die große Koalition in den Umfragen weiter schwächelt und alle Parteien neue Optionen nach der Bundestagswahl 2009 suchen.

Selbst Vertreter des linken Parteiflügels wollen die Gespräche mit der FDP nicht verdammen. „Es ist etwas in Bewegung geraten“, sagt etwa der Bochumer SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer. Es sei zu begrüßen, dass die FDP ihr „absurdes Verhalten“ im Nachklang der Bundestagswahl 2005 überwunden habe – damals sei FDP-Bundeschef Guido Westerwelle ja nicht einmal dazu bereit gewesen, mit Sozialdemokraten auch nur zu reden. Immerhin spreche man nun wieder miteinander. Was daraus werde, sei mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 offen.

Das Modell einer sozialliberalen Koalition mit bundesweiter Sendung ist sogar einmal in Düsseldorf erfunden worden. 1966 schmiedeten SPD-Landeschef Heinz Kühn und der einflussreiche FDP-Multifunktionär Willi Weyer ein Regierungsbündnis, das 14 Jahre lang hielt und sogar Vorbildfunktion für die sozialliberale Koalition in Bonn hatte. Doch damals standen die Liberalen für innere Reformen, die neue Ostpolitik und die progressiven „Freiburger Thesen“.

Davon ist heute keine Rede mehr: FDP-Chef Westerwelle führt statt dessen einen ideologischen Kampf gegen Gewerkschaften und die „bürokratische Staatswirtschaft“. Kurze Pause machte die sozialliberale Entfremdung nach der NRW-Landtagswahl 2000. Damals liebäugelten SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement und der mittlerweile tote FDP-Landeschef Jürgen W. Möllemann ernsthaft mit dem Gedanken an eine sozialliberale Koalition. Genauso wie Peer Steinbrück im Jahr 2003, als er gerade Krach mit den Grünen hatte – beide Versuche scheiterten nicht zuletzt am Widerstand der SPD-Basis.

Auch heute kann die NRW-SPD mit den sozialliberalen Restaurant-Debatten in Berlin eher wenig anfangen. „Reden kann man immer, aber die FDP müsste sich schon stark verändern, um ein Partner zu werden“, sagt Generalsekretär Michael Groschek. Die Liberalen stünden „auf der rechten Standspur, nicht auf der linken Überholspur“. Von einer sozialliberalen Erneuerung der FDP sei in NRW wenig zu spüren – vor allem beim gerade wiedergewählten „ewig gestrigen, nationalliberalen“ FDP-Fraktionschef Gerhard Papke.

Mit dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck sei eine sozialliberale Koalition im Bund wahrscheinlicher geworden, sagt Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der Uni Duisburg-Essen. Langfristig sei dies auch für NRW eine Option. „Für die nächste Landtagswahl ist aber davon auszugehen, dass die beiden Koalitionsparteien CDU und FDP ihre Koalition fortsetzen wollen“, so Faas. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sieht dies ähnlich – er will bis ins nächste Jahrzehnt mit der CDU regieren (siehe Interview).