: Geschichtsvergessene SPD
betr.: „Die Republik war nie so schwarz wie heute“, taz vom 1. 3. 07
Das Interview mit dem Wahlforscher Güllner zum Niedergang seiner eigenen Partei (SPD) fand ich absurd. Kein Wort über den ständigen Sozialabbau, den diese Partei betreibt – bei der eigenen Wählerklientel. Stattdessen wird eine Entfremdung beschworen, die angeblich darin besteht, dass in den 70er Jahren auch SPD-Mitglieder den Dr. machen konnten. Als Gipfel seiner Thesen: „Da wurden kommunale Kinos eingerichtet und Kulturzentren mit Edelrestaurants.“
Herr Güllner scheint die Geschichte der Kommunalen Kinos überhaupt nicht zu kennen. Die erste öffentliche Einrichtung eines Kommunalen Kinos 1971 in Frankfurt am Main war durchaus eine soziale und kulturelle Errungenschaft. Das Betreiben eines solchen Kinos musste gegen die großen Kinoketten per Gericht durchgesetzt werden. Der Prozess wurde zwar gewonnen – mit dem schlagenden Argument, dass andere Kinos solche Filme gar nicht zeigen. Aber danach gab es einen jahrelangen Boykott größerer Verleihe. Allmählich folgten andere Kommunen, aber bis heute führen solche Kinos und originelle Programmkinos ein Schattendasein.
Wie schnell die eigene Partei ihre Geschichte vergisst, zeigte sich seinerzeit am Beispiel der Nachfolgerin von Hilmar Hoffmann. Während Hoffmann das Kommunale Kino durchgesetzt hatte, schlug seine Nachfolgerin Reisch allen Ernstes vor, man könne doch das Kommunale Kino schließen (Filme lägen alle auf Video vor!)!
Mit solchen elitären Argumenten könnte Herr Güllner jedes Opernhaus der Republik dichtmachen – und die Museen dazu.
ALBERT KNAPP, Frankfurt am Main