Gescheiterte Vergabe: S-Bahn-Ausschreibung bringt nichts Neues
Der Senat wollte das Geschäft auf der Ringbahn mit Konkurrenz beleben. Nun hat sich der letzte Bewerber neben der Bahn AG zurückgezogen.
Ein wichtiges Vorhaben in der ÖPNV-Strategie des Senats steht vor dem Aus. Bei der Ausschreibung der Ringbahn-Strecke ist der letzte Konkurrent der Deutschen Bahn ausgestiegen, wie der RBB und die Berliner Zeitung berichten. Offiziell gab es dafür allerdings keine Bestätigung. VBB-Sprecherin Elke Krokowski: „Zu Anzahl und Identität der Bewerber machen wir aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Angaben.“
Ab Mai 2009 hatte eine massive S-Bahn-Krise begonnen, die etwa eineinhalb Jahre dauerte: Erst gab es Probleme mit den Rädern, dann mit den Bremsen, dann mit dem Schnee. Zeitweise war nur ein Viertel der Züge im Einsatz. Manche Linien wurden zeitweise gar nicht mehr befahren. Ursache war, dass die Deutsche Bahn als Eigentümer die S-Bahn kaputtgespart und auf Verschleiß gefahren hatte.
Der Senat wollte den Druck auf die Deutsche Bahn erhöhen, indem er den bisherigen Monopolisten der Konkurrenz aussetzt. Dazu wurde in einer Ausschreibung nach einem Unternehmen gesucht, das auf der Ringbahnstrecke fährt. Neben der Deutschen Bahn bewarben sich vier weitere Firmen. Doch die gaben der Reihe nach auf. Laut den Medienberichten soll jetzt mit „National Express“ auch der letzte Konkurrent ausgestiegen sein. Dessen Geschäftsführer Tobias Richter wollte dies indes nicht bestätigen: „Wir dürfen uns hierzu nicht äußern.“
Kritik an Michael Müller
Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, kritisiert: „Der selbsternannte Infrastruktur-Senat hat bei der Ausschreibung der S-Bahn komplett versagt. Verantwortlich ist der Regierende Bürgermeister in spe, Michael Müller.“ Der Senat habe durch seine Vorgaben zu viele Anbieter ausgeschlossen, die Ausschreibung „durch rechtliche Fehler und Gerichtsverfahren in die Länge gezogen“ und die verbliebenen Interessenten „durch überzogene nebensächliche Vorgaben abgeschreckt“.
Der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf, erklärt, dass die Bilanz des Senats „auch gemessen an den eigenen Ansprüchen desaströs“ sei. Statt des angestrebten Wettbewerbs zwischen mehreren Anbietern müsse der Senat jetzt mit der Deutschen Bahn als Monopolisten verhandeln. Nun „drohen den Berlinerinnen und Berlinern weitere Jahre Chaos bei der S-Bahn“. Auch er bemängelt, die Konditionen der Ausschreibung hätten „klar die Deutsche Bahn bevorteilt“. Sebastian Heiser
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style