piwik no script img

Gescheiterte Gymnasiasten überfluten SekundarschulenGEW befürchtet Exodus aus Gymnasien

Am Montag entscheidet sich, wie viel Siebtklässler nach dem Probehalbjahr auf die Sekundarschule müssen. Die GEW prophezeit einen Ansturm.

Mancher Ex-Gymnasiast wird hier bald seinen Turnbeutel dazuhängen. Bild: DAPD

Der Montag wird für einige Gymnasiasten der Tag der Wahrheit. Dann liegen die Zahlen auf dem Tisch, wie viele Siebtklässler das Probehalbjahr nicht bestanden haben und auf die Sekundarschule wechseln müssen. Es werden viele sein, glaubt der Vorsitzende der Schulleiter-Vereinigung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Paul Schuknecht. Er prophezeit: "Es wird richtig dramatisch." Denn die Sekundarschulen seien auf einen solchen Andrang nicht vorbereitet. Ganze sogenannte Rückläuferklassen müssten vermutlich aufgemacht werden. Schuknecht hat die Gymnasien deshalb gebeten, ihren Ermessenspielraum zu nutzen und möglichst viele Schüler noch bis zum Ende des Schuljahrs zu behalten. Der Gymnasialleiterverband und die Senatschulverwaltung beurteilen die Situation allerdings nicht so dramatisch wie die GEW.

Etwas mehr als 40 Prozent aller Schüler wechseln in Berlin nach der Grundschule aufs Gymnasium. Bislang bestanden in der Regel rund 500 Siebtklässler das Probehalbjahr nicht und mussten an die Realschule wechseln. Nicht bestanden heißt zum Beispiel, dass eine Sechs oder zwei Fünfen im Halbjahreszeugnis nicht durch deutlich bessere Noten ausgeglichen werden konnten. Seine Annahme, dass die Zahl der Rückläufer diesmal deutlich zunehmen wird, begründet Schuknecht so: In diesem Schuljahr seien deutlich mehr Kinder von ihren Eltern an Gymnasien angemeldet worden. "Das lag an der Verunsicherung durch die Schulreform." 2010 wurden Haupt- und Realschulen zu sogenannten Sekundarschulen zusammengelegt. Jeder Schüler, der möchte, kann aber das Gymnasium besuchen, egal ob er eine Gymnasialempfehlung von der Grundschule erhalten hat oder nicht. Allerdings bestehen viele Schüler ohne Gymnasialempfehlung das Probehalbjahr nicht.

Vor der Schulreform haben die Gymnasien die Rückläufer an die Realschulen abgegeben. Die wiederum gaben Schüler an Hauptschulen ab. Nun landen erstmals alle in der Sekundarschule. Die Bezirke seien verpflichtet, dort Plätze für Rückläufer vorzuhalten, sagt Schuknecht. Die meisten Schulen seien aber räumlich nicht auf einen solchen Ansturm vorbereitet. "Zwei oder drei Schüler mehr wären kein Thema." Die könnten in bestehende Klassen integriert werden. "Aber nicht ganze Rückläuferklassen." Dazu komme, dass Rückläufer "erst mal richtig frustriert" seien, so Schuknecht. "Sie haben ihre Schulkarrriere an der Oberschule mit einer Niederlage begonnen."

Die Gymnasien sollten deswegen die Probezeit verlängern, findet Schuknecht. Am Ende des Schuljahrs würden die meisten durch die Schulreform bedingten Bauarbeiten in den Sekundarschulen beendet und genug Räume vorhanden sein.

An sich darf die Probezeit nur im Einzelfall verlängert werden und dann auch nur, wenn der Schüler krankheitsbedingt erhebliche Fehlzeiten hatte. An vielen Schulen sei sehr viel Unterricht ausgefallen, begründet Schuknecht sein Ansinnen. Das könnten die Gymnasien als Grund angeben. Zudem gebe es Klassen mit 38 Schülern. Auch das sei eine Benachteiligung, die man nicht zulasten der Schüler auslegen dürfe.

Laut Ralf Treptow, Vorsitzender des Gymnasialleiterverbandes, ist Schuknechts Appell bei Gymnasialleitern "angekommen". Aber er teile die Einschätzung nicht. "Schuknecht überzeichnet ein bisschen", so Treptow. Und laut der Sprecherin der Senatsbildungsverwaltung, Beate Stoffers, liege die Zahl der Rückläufer "in etwa auf dem Niveau der Vorjahre".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • E
    eva

    Ganz übel ist man dran, wenn man von einem altsprachlichen Gymnasium runter muss.

    Wenn man das in der siebten Klasse tun muss, kostet es einem vermutlich ein Jahr, wenn man in der elften runter muss, weil man das neue 12jährige Abitur nicht packt, dann kann man durch zwngsläufig neue Leistungskurse ebenfalls locker mal ein Jahr verlieren. Und auch das betrifft viele Schüler, die dank "G8" nun mal rasch alle unfreiwillig die 11. Klasse überspringen und zu den Zwölftklässlern kommen mußten.

     

    Eine Dame vom Schulamt sagte mir letzte Woche, an diese Problematik habe man einfach bei der Einrichtugn von G8 und den neuen Sekundarschulen nicht gedacht.

     

    Hm, Herr Zöllner, wie wär's mit Nachsitzen? Denn bei der derzeitigen Regel müssen das vor allem ihre unfreilligen Opfer. Gleich ein ganzes Jahr.

    Aber für einen Märchenonkel wie Sie ist das vermutlich ja kein langer Zeitraum und am Ende wird alles gut?! Gute Nacht, Berliner SPD!

  • E
    EnzoAduro

    Das ist wieder so ein Wir-wollen-für-die-gleiche-Leistung-mehr-Geld-gejammer. Die Schüler die jetzt vermutlich mehr Rückläufer für die Sekundarschulen sind sind ja per Definition diejenigen die sich vor einem Halben Jahr nicht in den Sekundarschulen angemeldet haben. Im letzten Schuljahr war diese Gruppe einfach in den Realschulen.

    Die GEW sollte sich vielleicht mehr damit Beschäftigen wie das Kosten/Leistungsverhältnis der Berliner Schulen verbessert werden kann. Das sieht nähmlich alles andere als Gut aus. Berlin hat eines der teuersten Schulsysteme in Deutschland. Meiner Vermutung nach liegt das an lauter faulen Lehrern die im Zuge des Wehrdienstverzichts etc. nach Berlin gegangen sind.