Gescheiterte Flughafen-Besetzung: Polizei schützt Wiese vor Clowns
In Tempelhof verhindert ein massives Polizeiaufgebot die Besetzung des Flugfeldes. Selbst Clowns und Trommler landen in Polizeigewahrsam. Ströbele: völlig unnötige Eskalation.
Die gescheiterte Besetzung des Flughafens Tempelhofs wird von der Polizei als großer Erfolg gefeiert. Durch schnelles und konsequentes Eingreifen sei es in allen Fällen gelungen, zu verhindern, dass der Zaun des weitläufigen Areals überwunden wurde, hieß es am Sonntag. Die Initiative "Squat Tempelhof", die zur Besetzung des stillgelegten Flugfeldes aufgerufen hatte, kritisierte die "fast schon militärische Verteidigung des Geländes". Auch Grüne und Linke bezeichneten den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig.
Mehrere tausend Menschen hatten am Samstag stundenlang das nahezu komplett abgeriegelte Areal umrundet. Die Polizei sprach von 2.000, die Veranstalter von 5.000 Teilnehmern. Menschen, die am Zaun rüttelten, wurden mit Pfefferspray und Polizeiprügel vertrieben. Selbst tatenlosen Passanten wurden Platzverweise erteilt. Wenn sich größere Gruppen sammelten, wurden bis zu drei Wasserwerfer gleichzeitig aufgefahren.
Am Columbiadamm zog ein Zivilpolizist gar seine Waffe. Er habe einen Mann zu Boden gedrückt, der sich mit einer Zange am Zaun zu schaffen gemacht habe. Als "zahlreiche schwarz gekleidete Täter" auf den Beamten zugerannt seien, habe dieser zum Eigenschutz seine Schusswaffe gezogen, so ein Polizeisprecher. Auf von der Berliner Morgenpost veröffentlichten Fotos sind zwei schwarz gekleidete Personen zu sehen, die zur Seite springen. Wohin der Beamte seine Waffe in diesem Moment richtet, ist nicht zu erkennen.
Laut Polizei wurden im Laufe des Tages 102 Personen in Gewahrsam genommen. Das aber ist keinesfalls ein Indiz für massive brutale Auseinandersetzungen. Im Gegenteil. Die Demonstrationen waren überwiegend friedlich, sagt selbst die Polizei. Nur drei Festgenommene wurden dem Haftrichter vorgeführt: zwei wegen schweren Landfriedensbruchs und einer, weil wegen einen älteren Deliktes bereits ein Haftbefehl vorlag.
Die anderen 99 waren am Sonntagmorgen wieder frei. Darunter waren auch etwa zehn Clowns, die gegen 13.30 Uhr in der Oderstraße eingekesselt und abtransportiert worden waren. Sie hatte unter anderem Luftballons an Polizeifahrzeugen angebracht. Gegen 20 Uhr wurde rund ein Dutzend Trommler festgesetzt und zur Gefangensammelstelle gefahren. Die Sambatruppe war mit mehreren hundert Leuten die Schillerpromenade hinuntergelaufen. In ausgelassener Stimmung hatten zahlreiche Demonstranten direkt vor den Beamten getanzt.
Clowns und Trommler dienten der Orientierung bei unangemeldeten Ansammlungen, begründete ein leitender Polizist vor Ort den Einsatz. Der grüne Bundestagabgeordnete Christian Ströbele setzte sich direkt vor Ort für die Trommler ein, auch um die übrigen Demonstranten wieder zu beruhigen. Er bezeichnete die Polizeiaktion als "völlig unnötige Eskalation". Die Trommler nähmen eher die Spannung aus Protesten raus. "Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden", so Ströbele.
Leser*innenkommentare
vic
Gast
@ARE
Letztlich Innensenator Ehrhart Körting und seine übermotivierte Fußtruppe.
Nigel Jackson
Gast
Danke für den Bericht und auch ein Dankeschön an die zahlreichen Kommentatoren! Mich erfreut das scheinbar große Interesse an der Sache "Flughafen". Ich empfinde die Demonstration als Erfolg und auch als Bestätigung. Ich selbst bin mit dem Fahrrad ab 13 Uhr um den Flughafen gekreist und habe der Haupt-Kundgegbung um 16 Uhr beigewohnt. Dort habe ich erlebt wie kurz nach Ende der Ansprachen der Abmarsch eskalierte und das Gewaltpotential auf beiden Seiten drastisch stieg. Die Polizei ließ sich weit vorher schon wie erwartet harte Entschlossenheit anmerken. Bei den Demonstranten war, außer bei einzelnen alten Hasen, Geduld und Zuversicht verbreitet. Mich erschüttert in diesem Zusammenhang, die in anderen Medien zelebrierte Information, die Demo wäre rein links-radikale Sache. Ich distanziere mich von jeglicher radikaler Politik, aus Respekt vor Demokratie und Grundrechten. Auf der Demonstration war ich als freier Berliner Bürger. Ich wollte meine Stimme zeigen und mir ein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen. So tat es auch Hans-Christian Ströbele, von den Grünen, der mir mehrfach begegnete. Er selbst sah, dass die Polizei in unvernünftigen Akten der Gewalt, versuchte Druck auszuüben, den sie selbstverständlich selbst zurück bekam. Dass eine Eskalation bei erhöhtem Druck nicht vorhersehbar sei, kann keiner ohne ein Grinsen im Gesicht erzählen. Wenn man im Internet einige Videos anschaut, die Vorfälle auf der Demonstration dokumentieren, sieht man, dass die Polizei durch eindeutige Fehler zu wiederholten Eskalationen provozierte. Dass es Zivilpolizisten Faust-dick hinter den Ohren haben, ist ja bereits am ersten Mai bekannt geworden. Abschließend möchte ich den Verletzten, Verhafteten und Gefährdeten meine Solidarität bekunden. Zeigt weiter eure Stimme und bleibt Geduldig, dann lassen sie unsere Leute frei, 1,2,3. ;)
Klaus
Gast
@Ihr Name Anwohnerin:
"Mein persönliches Fazit: Die Demonstranten waren friedlich, in Feierlaune und die Ordnungsmacht sehr agressiv drauf. Ich glaube auch nicht, daß der Zivilpolizist wirklich so in Bedrängnis kommen konnte, daß er eine Waffe ziehen mußten. Nicht bei den mehrheitlich friedlichen Menschen."
Ach Anwohnerin, eine Waffe zum Eigenschutz zieht man wegen den 1-2 Prozent Deppen die es überall gibt und ob Du auf deinem Rad immer so die gesamte Lage überblickst bezweifele ich sehr.
Peter Lustig
Gast
Natürlich muss sich ein Polizist von den Clowns befummeln lassen, dumm anquatschen, die Sicht versperren lassen etc. pp. Gehört alles zum Job? Wohl kaum. Warum liest man in der TAZ nicht, dass diese sogenannten Clowns mehrfach aufgefordert wurden, die Störungen ggü. der Polizei zu unterlassen. Eure Doppelmoral ist lächerlich, ich weiß ja nicht, was Ihr so arbeitet - aber bestimmt würden auch Euch bei Eurer Arbeit Clowns niemals nicht stören. Es ist absolut witzig, mit Seifenblasen bespaßt zu werden - aber wenn ich das nicht will, hat das auch ein Clown zu akzeptieren. Und wer nicht hören will, muss fühlen. Platzverweise und die Folgen deren Nichtbefolgung gelten auch für Clowns.♦
Ihr Name Anwohnerin
Gast
Hallo ich wohne im Schillerkiez und habe es gewagt am Samstag Nachmittag auf dem Columbiadamm Fahrrad zu fahren. Es war eine schöne entspannte Athmosphäre. Da der Radweg und der Fußgängerweg voll mit Menschen war, mußte ich auf der Straße fahren, ist halt sicherer um keinen zu gefährden. Stellt sich da ein gepanzerter polizist in den Weg und meint ich soll auf den Rad weg. ich meine ist doch zu voll, Straße ist sicherer. Meint ne die Straße ist für den Verkehr. Ich meine zu ihm ich bin auch Verkehr. Ließ sich nicht umstimmen, wurde leicht aggressiv, also bin ich 2 m auf dem Radweg.
Mein persönliches Fazit: Die Demonstranten waren friedlich, in Feierlaune und die Ordnungsmacht sehr agressiv drauf. Ich glaube auch nicht, daß der Zivilpolizist wirklich so in Bedrängnis kommen konnte, daß er eine Waffe ziehen mußten. Nicht bei den mehrheitlich friedlichen Menschen.
Es wäre vor allem für uns Anwohner schön, wenn wir endlich Tempelhof nutzen könnten. Tempelhof für alle (außer für den Senat und die Polizei!!!)
Matthias Hufnagel
Gast
"unnötige Eskalation"
Das denke ich auch. Aber nicht nur gegenüber der Polizei.
Wozu soll es denn gut sein das Gelände überhaupt zu besetzen?
Wenn das nur eine Demonstration sein sollte, dann ist die Besetzung eine potentielle Provokation und deshalb inhaltlich offensichtlich nicht zielführend. Das Ziel der sinnvollen Nutzung ist nicht ein bischen näher gerückt. Und das sollte vorher klar sein.
Wenn die Besetzung selbst das Ziel sein soll, dann weiß ich vorher dass es handfeste Auseinandersetzungen gibt und wenn ich das dann trotzdem durchziehe akzeptiere ich auch die Konsequenzen. Hinterher rumgreinen ist dann irgendwie peinlich.
Soviel zur Theorie.
Wir wissen natürlich alle, dass das Ganze von Anfang an nur ein Ritual ist, dass dazu dient dass am Sonntagabend jedes Lager zufrieden besisammensitzen kann um sich untereinander an den Geschichten von den "bösen Anderen" zu wärmen.
Die taz ist die Printausgabe der einen Runde, andere Medien sitzen am gegnerischen Lagerfeuer.
Müller, Eleonore
Gast
Vielen Dank für Ihren Bericht über die Demo Tempelhof. Die Staatsgewalt muß auch hier wieder Stärke zeigen wie schon in den 60-igern und junge Leute die Ihr Hirn und Gewisen noch nicht dem Kommerz übergeben haben, wieder als "Staatsfeinde und Kriminelle" abstempeln. Sicher ist es nicht objektiv die Unruhen im Iran mit den Demos hierzulande zu vergleichen. Aber unsere "Staatsdiener" sind auch nicht zimperlich wenn es darum geht auf die jungen Leute einzuprügeln, sie vom Fahrrad zu stoßen oder aus einem Abstand mit ca. 40 cm mit Kampfgas zu bedenken. Die Clowns und Trommler sind schon eine erhebliche Gefahr für unseren Rechtstaat. Solche Elemente muß man entfernen und die "ehrliche und achtbare" Gesellschaft schützen.
Sound-Ed ( Beatbarrel Brothers ) WWW.beatbarrel.com
Gast
Hallo Leute,echt super das ihr so objektiv und unverfälscht berichtet was los war.Ich war selber da
mit meinem Bruder/Freunden und 2 Beatbarrel Mobilsoundsystemen.wir liefen mit Musik (jimi Hendrix)den Columbiadamm runter und ich machte ein
paar durchsagen über Micro "tempelhof für alle" "macht feierabend,wir sind friedlich".Daraufhin hielten uns 10 Beamte auf,wir sollen sofort die Musik ausmachen und beschlagnamten das Micro.Man erteilte uns dann einen Qualifizierten Platzverweis und stufte uns als besonders gefährlich ein da unsere Musik ein gefärliche Sogwirkung erzeuge.Dabei haben wir in keiner weise zu gewalt oder sachbeschädigung ermuntert.Wir wurden um 16.15 rausgezogen und kamen ca. 200m weit.Dachte nicht das die Polizei Angst vor Musik hat und agressiv darauf reagiert wie bei der Samba Truppe.Das ist echt ne Schande!
Christian
Gast
Es gibt auf Seiten der Demonstranten einen Haufen Idioten die das Ganze als "Katz und Maus Spiel" betrachten...leider vermag es die wie im Kindergarten handelnde Polizei nicht über derartigen Gedanken zu stehen und führt sich auf als wäre das ganze tatsächlich ein "Katz und Maus Spiel" !
Jegliche Argumentation über gewaltbereite Demonstranten wurde durch die Verhaftung der GRUNDSÄTZLICH FRIEDLICHEN Clowns (bevor es zu Auschreitungen kam) ad absurdum gestellt!
Bella
Gast
Liebe taz.
Vielen Dank für den Artikel "Polizei schützt Wiese vor Clowns"!
Ihr seid die einzige Zeitung, die die Geschehnisse vom Sonnabend korrekt darstellt. Als Grund für die Festnahme der Samba-Band gab die Polizei "Gefahrenabwehr" an. In Wirklichkeit war die Polizei eine echte Gefahr für die friedlichen Demonstrierenden: Sie ging mit Pfefferspray und Schlagstöcken teilweise äußerst brutal gegen die Demonstrierenden vor.
Ich bin wieder einmal erschüttert darüber, dass die meisten Mainstream-Zeitungen lediglich die Informationen aus Polizei-Quellen verbreiten. Die Anzahl der (gewaltbereiten) Verhafteten wird mit der Anzahl der verletzten Polizisten gerechtfertigt. (Von den verletzten Demonstrierenden kein Wort.) In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich, dass uns Luftballons, Faschingsschminke und Tanzmusik als Waffen ausgelegt werden?
Samba-Groupie
Gast
Daß die Polizei gegen die Sambagruppe vorgeht, zeigt nur, wovor sie am meisten Angst haben: nicht vor Gewalttätigkeit, denn die bietet ja einen Grund, zurückzuschlagen und die Proteste zu kriminalisieren, sondern vor der Ruhe und Entschlossenheit des friedlichen Protests.
willy
Gast
wäre es nicht traurig, welch geistigen durchfall die vereinte linke hier von sich gibt, es wäre ein ideals beispiel für meinen unterricht um zu demonstrieren, wie ein verblendeter gewaltbereiter mob versucht die rechte der demokratie zu nutzen um genau gegen diese demokratrie zu agieren.
Bäääärrrrk!!!
Gast
Es müssen schon sehr verkrüppelt und verkorkste Seelen in diesen grün kostümierten Lakaien und Staatsbütteln schlummern, wenn sie sich mit unverhältnismäßiger Gewalt, gegen friedlich demonstrierende Trommler und Clowns richten. Danach freuen sie sich auch noch wie kleine Kinder und feiern ihr jämmerliches tun als großen Erfolg.
Immerhin galt es ja ein von der Nazidiktatur errichtetes Monument, welches im Übrigen unter der Erde größer ist als auf der Oberfläche, mit allen Mitteln vom Zugriff scheinbar freier Bürger zu schützen. Würde mich mal interessieren wie viele dieser grünen Helden unter den martialischen Uniformen ihre Thor-Steinar Schlüpfer trugen.
ARE
Gast
Hallo taz,
was ist da bei euch in Berlin eigentlich los? Die verschiedenen Einsätze der Polizei ergeben zusammen genommen überhaupt nicht das Bild, das man vom ansonsten schönen Berlin kennt!
Könnt ihr mal Roß und Reiter nennen? Wer ist dafür verantwortlich?