: German Barock
Feridun Zaimoglu sucht das Glück: In seinem neuen Erzählband „Zwölf Gramm Glück“ wird er gleich ein Dutzend Male fündig – im Diesseits wie im Jenseits
Die Türken sind da“, jubilierte die Zeit nach dem Erfolg des türkischstämmigen Regisseurs Fatih Akin bei der Berlinale. Und das ZDF-Nachtstudio inspirierte der Rummel um „Gegen die Wand“ zu der Frage, „wie die Deutschtürken den Kulturbetrieb erobern“: Zur Gesprächsrunde um den TV-Kamin lud Moderator Volker Panzer neben Fatih Akin und Cem Özdemir natürlich auch Feridun Zaimoglu.
Nun ist Zaimoglu schon eine ganze Weile da: Sein erstes Buch „Kanak Sprach“ veröffentlichte er vor fast zehn Jahren. Dass er damit mehr als Lautsprecher einer neuen Jugendbewegung denn als sprachmächtiger Schriftsteller wahrgenommen wurde, stand Zaimoglu lange Zeit im Wege: ein Missverständnis, an dem er selbst nicht ganz unschuldig war. Inzwischen scheint das überwunden: Seit auf seinen Büchern unübersehbar das Wort „Roman“ prangt, hat sich die Wahrnehmung geändert. Und seit er im vergangenen Jahr in Klagenfurt den Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewann, wird er sogar als „deutscher Dichter“ (FAS) gefeiert.
Die Erzählung „Häute“, für die Feridun Zaimoglu in Klagenfurt ausgezeichnet wurde, steht nun auch im Zentrum seines neuen Erzählbands „Zwölf Gramm Glück“. Grob gliedert sich das Buch in zwei Teile, die mit „Diesseits“ und „Jenseits“ nur vage unterschieden sind. Ersterer umfasst Geschichten, die in der Gegenwart deutscher Großstädte angesiedelt sind; Letzterer spielt in einem namenlos bleibenden Niemandsland jenseits der westlichen Realität. Doch die geografische Trennung korrespondiert nur bedingt mit den Gedankenwelten, die der Autor dabei aufsucht: Der Okzident ist längst Teil des Orients und umgekehrt, das Archaische nur ein Schattenbild der modernen Welt.
Entsprechend bunt zusammengewürfelt ist das Personal in „Zwölf Gramm Glück“: Urbane Schwerenöter und Frauenanbeter, religiös Bekehrte und potenzielle Gotteskrieger. Sie suchen das Glück in der Liebe oder im Sex, aber auch in religiöser Entsagung oder gewalttätigen Fantasien. Da gibt es den Schmalspur-Bohemien aus dem Hamburger Schanzenviertel, den die schicksalhafte Begegnung mit einer Frau vom nahe liegenden Suizid abhält, während ringsherum die Barrikaden brennen. Mit „Gottesanrufung“ betitelt sind zwei Geschichten, die von muslimischen Frauen in Deutschland handeln: In der ersten soll der Ich-Erzähler für die kopftuchtragende Cousine eines Freundes einen Liebesbrief verfassen; die zweite dokumentiert das Gespräch einer Türkin, die erst spät zur Religion gefunden hat, mit ihrem ehemaligen Geliebten. Später treffen wir noch auf einen radikalen Islamisten, der vom Glauben an seinen Guru abgefallen ist, und auf einen armseligen Gigolo an der Ägäisküste.
Man muss sich Feridun Zaimoglu wie einen Bildhauer vorstellen, der aus dem Rohstoff der deutschen Sprache neue, bislang ungesehene Bilder meißelt. Dass er dabei inzwischen oft auf ein betont altmodisches Vokabular zurückgreift, lässt seine Sprache zuweilen etwas überladen wirken. Und mit ihren Figuren, die stets zwischen ihren Diesseitszweifeln und der Sehnsucht nach Transzendenz zu schwanken scheinen, wirken die Szenarien zuweilen wie aus der Zeit gefallen. Doch hinter dem barocken Stil tritt der Blick auf ein wichtiges Stück deutscher Gegenwart zu Tage. DANIEL BAX
Feridun Zaimoglu: „Zwölf Gramm Glück. Erzählungen“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004, 236 Seiten, 17,90 €