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Geringfügige BeschäftigungMinijobs bald für 450 Euro

Der Bundestag beschließt die Anhebung der Minijob-Grenze auf 450 Euro. Die Opposition warnt, dass Arbeitgeber noch mehr normale Jobs umwandeln könnten.

Höhere Verdienstgrenze: In der Gastronomie gibt es viele Minijobs. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Kritiker warnten und schimpften. Aber es half nicht: Der Bundestag beschloss am Donnerstag mit den Stimmen von Union und FDP, die Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigung von bisher 400 Euro ab dem 1. Januar auf 450 Euro im Monat anzuheben.

Die Anhebung ist die erste Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze seit dem Jahre 2003. Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU) erklärte, damit werde ein „Inflationsausgleich“ und „ein Stück Gerechtigkeit“ für die MinijobberInnen geschaffen.

Von der Opposition kam heftige Kritik. „Niemand glaubt ernsthaft, dass es sich um eine Anpassung an die allgemeine Lohnentwicklung handelt“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Anette Kramme. „Die Arbeitgeber werden nicht die Stundenlöhne erhöhen, sondern allenfalls die Wochenarbeitszeit ausweiten.“ Die Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Karin Vladimirov, sagte der taz, in der Gaststättenbranche sei inzwischen jede zweite Stelle ein Minijob.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wies allerdings daraufhin, dass nur bei 10 Prozent der Minijobs derzeit die Verdienstgrenze von 400 Euro erreicht werde. Für den Großteil der MinijobberInnen sei die Anhebung daher ohne Bedeutung.

Beschäftigte sind nicht krankenversichert

Für einen Minijob wird nur eine pauschale Abgabe in Höhe von rund 30 Prozent vom Arbeitgeber verlangt. Die Beschäftigten zahlen keine Abgaben und sind daher mit den Minijobs nicht krankenversichert. Nach einer Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung zahlen die Unternehmer den Minijobbern vor allem Niedriglöhne.

Ab dem 1. Januar sollen die geringfügig Beschäftigten automatisch in der gesetzlichen Rentenversicherung Mitglied werden. Es sei denn, sie legen Widerspruch ein. Die Bundesregierung rechnet damit, dass ein Großteil der MinijobberInnen auf die Versicherungspflicht verzichten werde, da die Arbeitnehmer sonst eigene Beiträge für die Rentenkassen zahlen müssten. Bei einem Verdienst von 450 Euro wären dies 22 Euro aus eigener Tasche.

Ende des vergangenen Jahres gab es in Deutschland rund 7,5 Millionen Minijobs, davon ackerten rund 4,9 Millionen ausschließlich in der geringfügigen Beschäftigung. Oft handelt es sich dabei um Ehefrauen, die über ihre Ehemänner krankenversichert sind. Ein Drittel der MinijobberInnen betreibt den Job neben einem Hauptberuf und ist dann über diesen sozialversichert.

Auch die Obergrenzen für sogenannten Midijobber sollen mit Wirkung vom 1. Januar an von 800 auf 850 Euro erhöht werden. Dabei handelt es sich um eine Gleitzone mit Verdiensten zwischen dann 450 und 850 Euro. In dieser Gleitzone sind die ArbeitnehmerInnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt und damit auch krankenversichert. Die Sozialbeiträge steigen jedoch prozentual erst langsam an. Ende 2011 gab es in Deutschland 1,3 Millionen MidijobberInnen.

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8 Kommentare

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Die Minijob auf 50 Euro aufzu stocken,wird sie nicht aktrativer machen.

  • S
    spiritofbee

    Die Wiederherstellung des Sklaventums in den Industrie- und Dienstleistungsektoren läuft auf allen Ebenen.

    Mit Taschenspielertricks wird von einer sogenannten Regierung, bzw Bundestag, Parlament etc versucht dies zu kaschieren. Mehr als offenkundige Hilflosigkeit durch das Unterordnen in eine lebensverachtende "Systemrelevanz" kommt dabei selten zustande.

    Wer diese Vorgehensweise weiterhin wissentlich unterstützt, nimmt unseren Kindern mit voller Absicht die Zukunft, Kindern in vielen anderen Ländern heute schon minütlich das Leben.

     

    Alternativlos?

    Hier ein weiterer Keim, der es verdient gepflegt und zum wachsen gebracht zu werden:

     

    goteo.org/

  • I
    Irene

    "Die Opposition warnt..."

    Das ist fein, blöd nur, dass es die Rot/Grüne Bundesregierung war, die 2003 die Geringfügigkeitsgrenze auf 400 € angehoben und die Begrenzung auf weniger als 15 Wochenstunden gekippt hat. Seither ist die Zahl der Minijobs - oops - stark angestiegen.

    Dass sich SPD und Grüne jetzt um Arme sorgen, die wir ohne die Agenda und die Hartz-Reformen gar nicht hätten, ist einfach nur Heuchelei.

  • D
    Detlev

    Das Konzept des Minijobs ist von grundauf falsch, weil die Löhne nicht automatisch an die Inflation angepasst werden und weil es schon 7 Mio. Menschen sind. Wenn es 500.000 wären, dann wäre diese Beschäftigungsform erheblich unproblematischer. Aber die NGG sagt es ja schon: 50 Prozent sind in der Gastronomie über solche Regelungen. Warum sollen Betriebe dann noch Beschäftigte ausbilden, Qualität halten oder überhaupt normale Betriebsabläufe einhalten, wenn schon fünfzig Prozen der Leute nur auf so einer Basis arbeiten?

    Dass es in der Gastronomie nicht zum Betriebsrat, zur Durchsetzung von gewerkschaftlichen Forderungen kommt, muss man wohl nicht erwähnen. Auch das bringt diese Regelung mit sich und mit den 450 EURO wird das definitiv in vielen Bereichen schlimmer werden. Und rückgängig kann man solche Regelungen kaum machen, weil das als die Steueroase des kleinen Mannes wahrgenommen wird, obwohl gerade die Arbeitnehmer hier kaum Vorteile haben, weil diese Arbeitsverhältnisse meist mit unfairer Entlohnung einher gehen.

  • TL
    Tim Leuther

    Man braucht endlich EIN Einkommenssteuer/Sozialversicherungsrecht. Keine Mini/Midi/Maxijobs.

     

    Wenn man bei den Sozialversicherungen die Kurve progressiv macht, dann hätte man das Problem nicht.

     

    Am besten koppelt man Sie gleich an die Steuer. Dann gibt es einen Rentenzuschlag, einen Krankenversicherungszuschlag etc.

     

    Auch geringe Einkommen sollten sich dann beteiligen - zwar prozentual geringer und absolut damit noch geringer, aber trotzdem. Eine Progression, von der 1x die Woche Bei McDonalds Stelle bis zum Ackermann, oder wie auch immer.

  • H
    Hannah

    "Die Beschäftigten zahlen keine Abgaben und sind daher mit den Minijobs nicht krankenversichert" - sachlich schlichtweg gelogen. Ein lächerlicher Beitrag, die taz ist nicht mehr ernst zu nehmen. Peinlich.

  • S
    STudent

    Jo und der Urnenpöbel jubelt ...

  • W
    Waage

    "...ein Stück Inflationsausgleich..."?!?

     

    Doch wohl eher ein Stück vorprogrammierter Altersarmut!