Gericht sieht "Gendreck weg" als "Selbstjustiz: Geldstrafen für Feldbefreier
Urteil gegen Feldbefreier: Das Gericht sieht "Gendreck weg" als "Selbstjustiz", Geldstrafen zwischen zwischen 200 und 600 Euro. Betroffenes Leibniz-Institut sagt: Strafe zu niedrig.
ASCHERSLEBEN taz | Zu Geldstrafen zwischen 200 und 600 Euro sind Gentechnik-Gegner am Mittwochabend vom Amtsgericht Aschersleben verurteilt worden. Die sechs AktivistInnen der Initiative "Gendreck weg!" hatten 2008 im sachsen-anhaltischen Gatersleben ein Feld mit gentechnisch verändertem Weizen verwüstet. Die Staatsanwaltschaft hatte für die Beteiligten vier Monate Haft auf Bewährung gefordert.
Im April vor zwei Jahren hatten die AktivistInnen der Initiative "Gendreck-weg" ein Versuchsfeld mit Genweizen am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben zerstört. Sie hatten befürchtetet, dass Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen die Saatgutbank des Instituts verunreinigen könnten.
Vor Gericht beriefen sie sich daher auf "rechtfertigenden Notstand", demzufolge eigentliche Straftaten nicht strafbar sind, wenn sie eine konkrete Gefahr abwenden. Das Gericht sah jedoch keine konkrete, sondern lediglich eine abstrakte Gefahr. "Das allgemeine Statement lautete: Selbstjustiz wird bestraft", sagt "Gendreck-weg"-Sprecherin Simone Ott. Das Leibniz-Institut begrüßt das Urteil. "Bei der gegebenen Schadenshöhe hätten wir uns vielleicht eine höhere Strafe gewünscht", sagt IPK-Sprecher Roland Schnee.
Die AktivistInnen sind enttäuscht. "Bei der Urteilsbegründung hatten wir das Gefühl, dass das Gericht nicht zugehört hat", sagt Ott. Dennoch hätten sie ihr Hauptziel erreicht. Mit ihrer Aktion wollten die selbsternannten Weizenretter auch auf mangelnde Kontrolle bei der Genehmigung von Gentechnikversuchen hinweisen.
Durch die ebenfalls am Mittwoch getroffene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die bestehenden gesetzlichen Einschränkungen beim Anbau von Genpflanzen bestätigte, sehen sich die AktivistInnen in ihrer Linie bestätigt.
Die Auseinandersetzung zwischen Leibniz-Institut und "FeldbefreierInnen" ist damit noch nicht beendet. "Innerhalb der nächsten Woche wollen die AktivistInnen entscheiden, ob sie gegen das Strafgerichtsurteil in Berufung gehen", so Ott. Zusätzlich läuft ein vom IPK angestrebtes Zivilverfahren, gegen das beide Parteien 2009 Berufung eingelegt hatten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen