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Gericht in London hat entschiedenAssange kommt frei

Gegen rund 290.000 Euro, mit einer Fußfessel und unter strengen Auflagen kommt der Wikileaks-Gründer auf freien Fuß. Jetzt droht juristischer Ärger aus den USA.

Aus dem Treiber ist ein Getriebener geworden: Julian Assange. Bild: dpa

LONDON taz | Julian Assange ist vorläufig frei. Das Amtsgericht in London entschied am Donnerstagmittag, dass der Wikileaks-Gründer gegen eine Kaution von 240.000 Pfund aus der Haft entlassen wird.

Der 39-jährige Australier, der wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs auf Grundlage eines Haftbefehls aus Schweden seit mehr als einer Woche in Untersuchungshaft im Londoner Wandsworth-Gefängnis saß, muss bis zum Auslieferungsprozess am 11. Januar 2011 eine elektronische Fußfessel tragen und darf den Landsitz eines Medienclubs in der Grafschaft Suffolk nicht verlassen.

Die Kaution ist von seinen Unterstützern aufgebracht worden, darunter der Journalist John Pilger. Nach der Entscheidung des Gerichts brach vor dem Gebäude, wo sich zahlreiche Anhänger Assanges versammelt hatten, lautstarker Jubel aus. Das Gericht in Westminster hatte eigentlich schon am Dienstag bei der ersten Anhörung entschieden, Assange gegen Kaution freizulassen, revidierte das jedoch in letzter Minute, weil die schwedische Staatsanwaltschaft angeblich Widerspruch eingelegt hatte.

Am Mittwoch stellte sich das als unwahr heraus. Karin Rosander, die Pressesprecherin der schwedischen Staatsanwaltschaft, sagte: "Die Entscheidung wurde vom britischen Staatsanwalt getroffen. Die schwedische Staatsanwaltschaft ist gar nicht berechtigt, irgendwelche Entscheidungen in Großbritannien zu treffen."

Ob Assange auf Kaution freikomme oder nicht, interessiere die schwedischen Behörden nicht, sagte Rosander. Man habe für das gestrige Verfahren deshalb keine neuen Beweise vorgelegt. Die britische Staatsanwaltschaft musste daraufhin einräumen, dass sie es war, die Einspruch eingelegt hatte. "In allen Auslieferungsverfahren trifft die einheimische Behörde die Entscheidung über eine Freilassung gegen Kaution", hieß es in einer Presseerklärung.

Sollte Assange an Schweden ausgeliefert werden, muss er eine spätere Auslieferung an die USA befürchten. Die dortige Staatsanwaltschaft bereitet zurzeit eine Anklage wegen Mittäterschaft vor. Sie will beweisen, dass Assange den Informanten Bradley Manning, der Wikileaks die Geheimdokumente aus dem US-Außenministerium zugespielt haben soll, nicht nur dazu angestiftet, sondern ihm auch dabei geholfen hat. Manning, ein Gefreiter der US-Armee, soll sich in einem Internetforum damit gebrüstet haben, in direktem Kontakt mit Assange zu stehen und von ihm Zugang zu einem Server erhalten zu haben, um die Dokumente hochzuladen.

Mit einer Anklage wegen Mittäterschaft statt lediglich wegen Verbreitung des Materials wollen die US-Behörden offenbar die unbequeme Frage umgehen, warum sie nicht auch Zeitungen wie die New York Times anklagen, die das Material ebenfalls veröffentlicht haben.

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13 Kommentare

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  • K
    kalevala

    http://www.dn.se/nyheter/sverige/forhoren-ger-oklar-bild-1.1229552

     

    es ist ja nicht der schwedische Staat, der Assange verfolgt...2 Frauen, aus dem Unterstützerumfeld von wikileaks, behaupten von assange vergewaltigt worden zu sein- Sex ohne Zustimmung der Frauen!Das wurde angezeigt, und wird eben von der Polizei verfolgt!!!was ist daran falsch?

     

    Wikileaks -- JA!!!

     

    Assange -- NEIN!!!

     

    mit dem Frauen/Menschenbild wird der uns noch als besserer Mensch verkauft und zum Helden stilisiert...KOTZ!

  • M
    Mr.Droveman

    Schon krass was für ein Wirbel um Assange gemacht wird..."Alles" deutet darauf hin, dass die Regierungen vieler Staaten ihn von der Bildfläche verschwinden lassen wollen. Aber ich glaube, wir sollten nicht ganz blauäugig an die ganze "Sache" herangehen. Vielmehr wäre es angebracht die Fakten zu differenziern. Das was bei wikileaks zu lesen war bzw. ist, entspricht belegten Tatsachen.Daran besteht absolut kein Zweifel. Aber ich würde niemals einem mir fremden Menschen(Assange)alles abnehmen, bevor ich ihn nicht selbst persönlich "gut" kennen gelernt hätte und ihn somit einschätzen könnte.

  • GF
    Gerda Fürch

    Tut mir leid für die Schweden und das gute schwedische Image, aber ich habe noch den Fall "Olaf Palme" gut in Erinnerung, der leider durch die Schwedische Polizei nie richtig aufgeklärt werden konnte.

     

    Und der Mord an John F. Kennedy und seinen Bruder Robert Kennedy ist doch auch noch nicht voll aufgeklärt.

  • ES
    Egon Stein

    Es ist nicht glaubhaft dass die Schwedische Justiz nicht verantwortlich sei für den Einspruch gegen die Assange-Kaution!Weil die Schweden-Justiz mit keinem nachvollziehbar juristischen Sachargument die Inter-

    pol statt für Verbrecher,nämlich für eine angebliche Befragung, erzwungen hat. Womit deutlich wird wel-che kriminellen Machenschaften zur obrigkeitlichen Anwendung kommen,um ihre Ziele gegen die Bürger durchzusetzen. Das ist eine klare Bestätigung für den Missbrauch des Gewaltmonopols durch Polizei,Jus-

    tiz, Verwaltungsbesoldete, die nur mit Wikileaks-

    Aufklärung öffentlich aufgezeigt werden muss um die Fehlleistungen der von uns bezahlten Leute zu offenbaren. Egon Stein,Meggen egon.stein@bluewin.ch

  • S
    Samuel

    @Lasr

    Nicht zu vergessen die Situation von Bradley Manning der momentan ohne richterlichen Beschluss und Klärung der Anschuldigungen unter inhumanen Verhältnissen in Einzelhaft gehalten wird.

     

    http://www.salon.com/news/opinion/glenn_greenwald/2010/12/14/manning/

     

    Das ist eine inakzeptable Schweinerei, die leider den wenigsten bekannt ist.

  • G
    grifter

    Das ganze Theater geht einem ja langsam auf den Sack.

    Die CIA soll doch bitte das ganze gezerre um Julian

    Assange beenden und nicht wieder vermasseln.

  • F
    Fraumeier

    Mit einer Fußfessel auf freien Fuß?

    Herrlich!

  • BG
    Bernd Goldammer

    Eine verrückte Welt; Wikkileaks wird von Leuten angeklagt, die wegen schwerster Verbrechen gegenüber ihren Staaten auf Anklagebänke und in Gefängnisse gehören. Wikkileaks hat uns auf legalem Wege lediglich klargemacht was auf der Welt läuft. Aber was kann man von einem Staat erwarten, in dem schon die Richter absichtsvoll lügen. Diese Zustände sagen aber auch etwas über uns...

  • N
    NeMengeAsche

    290 000 € .. wo kommtn die mal so kurz her? Portokasse?

  • K
    Klaus

    Eine Auslieferung nach den USA (von GB) ist normalerweise ganz einfach, under den Anti-Terror Gesetzen, die US Behoerden brauchen nicht viele Beweise beibringen. Ob man allerdings den nachfolgenden Aerger haben moechte ist fraglich ....

  • L
    Lasr

    Was für eine Farce! Es gibt also nichtmal eine Anklage gegen Assange!? Was soll der Zirkus überhaupt. Wenn Sie den nur als Zeugen hören wollen, gibt es ja wohl nicht den geringsten Grund ihn in Untersuchungshaft zu stecken! FREE ASSANGE!

  • B
    Beobachter

    Merkwürdig - hier schreibt Frau Staatsanwältin Marianne Ny, dass nicht Sie Beschwerde eingelegt hätte, sondern britische Behörden:

     

    http://www.aklagare.se/In-English/

     

    Auch zu finden bei golem.de

  • N
    news

    Laut Guardin kam die Beschwerde gegen die Kaution nicht aus Schweden, sondern aus England...