■ Gerhard Schröder und sein Konsens mit der Autoindustrie: Der Serientäter von Hannover
Ein richtiger Blockbooster war schon der Energiekonsens nicht. Aber immerhin hatte er sich mit gewissen Achtungserfolgen drei Jahre lang in den Nachrichten gehalten. Genug offenbar für Gerhard Schröder, der am liebsten Regisseur seines eigenen Aufstiegs zur Macht wäre. Und so tut Niedersachsens Ministerpräsident das, was mittelmäßige Filmproduzenten immer tun: Er schiebt eine zweite Folge nach.
Stirb langsam II. Nach den Atomkraftwerken nun also die Autos. Wir sehen den Helden wieder aufbrechen zu neuen Taten am grünen Tisch. Wieder nimmt er sich die großen Tiere vor, mutmaßlich mächtige Herren über weltweite Konzerne. Der eigentümliche Reiz dieses Stücks, sollen wir glauben, liege darin, den Gegner nicht zu bezwingen, sondern zu bezaubern. Tatsächlich, man redet gerne mit ihm. Auch Ferdinand Piäch von VW, Bernd Pischetsrieder von BWM und Jürgen Schrempp von Mercedes fühlen sich verstanden. Die Politiker der anderen Parteien dürfen zusehen, wie ihnen der Sozi die Schau stiehlt. Aber sie gehören als Statisten fest zum Drehbuch. Baden- Württembergs Erwin Teufel oder Bayerns Edmund Stoiber verlieren die Belange deutscher Autokonzerne gewiß auch ohne Gerhard Schröders Hilfe nicht aus den Augen. Wenn er jedoch zum Konsens bittet, dann scheint sich eine politische Wende anzubahnen.
Aber auch diese Täuschung gehört zum Grundbestand der Dramaturgie. In Schröders Serien stellt sich nach einiger Zeit heraus, daß nichts geschieht, was nicht sowieso geschehen wäre. Atomkraftwerke halten nicht ewig, der Energiekonsens hätte im Erfolgsfall lediglich diese Selbstverständlichkeit zur sozialdemokratischen Leitlinie erhoben. Und die deutschen Autokonzerne werden ihre hochqualifizierten Stammbelegschaften nicht wegen höherer Benzinsteuern und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Autobahnen aufgeben. Davon ist der vielbeschworene Standort Deutschland nicht bedroht, sondern höchstens von rückständigen Managern, die ihre Marktchancen noch immer nicht wahrnehmen.
Daß sich daran nichts geändert hat, läßt sich leicht an dem Konsens erkennen, den die geheimen Gesprächsrunden ausgehandelt haben. Die Konzerne versprechen ein Auto bauen, das mit drei Litern Treibstoff hundert Kilometer weit fahren kann. Das ist nicht besonders schwer, in Deutschland aber muß es unbedingt Diesel verbrennen, der krebserregenden Ruß hinterläßt und obendrein von den schon jetzt niedrigen Steuern noch weiter entlastet ist.
Heißt das tapfer Streiten für eine große Sache? Oder wenigstens für Arbeitsplätze, koste es die Umwelt, was es wolle? Nicht einmal das. Schröder ist schlicht der Stoff ausgegangen. Der Ministerpräsident langweilt. Als Kanzlerkandidat hat er ausgedient. Dieser Konsens wird der Partei leichtfallen. Niklaus Hablützel
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