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Gerechte und Ungerechte!

Auf dem 1748 gegründeten Invalidenfriedhof sind etwa 6.000 Personen beerdigt worden. Nur noch 230 Grabsteine sind erhalten. Bis 1945 gehörte der Friedhof zum Invalidenhaus und wurde daher vom Militär verwaltet. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten die Alliierten den Friedhof als militärisches Objekt. Ein Befehl des alliierten Kontrollrats vom 17. Mai 1946 ordnete die Entfernung aller militaristischer und nationalsozialistischer Denkmäler auch auf Friedhöfen an. Wegen der Beschränkung auf die Zeit von 1914 bis 1945 waren nur wenige Grabmäler betroffen. Ende 1950 schloß das Bezirksamt Mitte den Friedhof und erklärte die Ruhefrist aller vor 1925 belegten Grabstellen für abgelaufen. In der Folgezeit hat es auf dem Friedhof bis Ende der sechziger Jahre nur noch vereinzelt Urnenbeisetzungen gegeben. Die Besuchszeit wurde weiter eingeengt, so daß sie zuletzt vor dem Fall der Mauer nur noch zwei mal zwei Stunden in der Woche betrug. Seit der Vereinigung der beiden Stadthälften ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Abteilung III, Garten- und Denkmalpflege zuständig. Sie entwirft z.Z. ein Konzept zur Wiederherstellung des Friedhofs.

Wie für alle anderen städtischen Begräbnisstätten gilt die Friedhofsordnung. Die Ruhezeit der Gräber ist dort auf 25 Jahre festgelegt. Weite Flächen des Friedhofs sind heute Grünflächen. Trotzdem ist die Lektüre der Grabsteine ein Gang durch die Geschichte Preußens und Deutschlands zwischen 1750 und 1945.

Hier eine Auswahl der noch erhaltenen Grabsteine:

Lodewig von Diezelsky (1708-1779), Oberst und Kommandant des Invalidenhauses

Ernst Otto von Reineck (1729-1791), Oberst und Kommandant des Invalidenhauses

Gerhard David von Scharnhorst (1755-1813), Generalleutnant und Reformer der preußischen Armee

Job Wilhelm von Witzleben (1783-1837), Generaladjutant und Kriegsminister (1834)

Hans Carl von Winterfeldt (1707-1757), Freund Friedrich II, Heerführer im Siebenjährigen Krieg

Friedrich Friesen (1784-1814), Leutnant im Lützowschen Freicorps und Mitbegründer der deutschen Turnerbewegungen

Friedrich Bogislaw Emanuel Graf Tauentzien-Wittenberg (1760-1824), preußischer General in den Befreiungskriegen, »Befreier von Wittenberg«

Gustav Friedrich von Kessel (1760-1827), Kommandant des Invalidenhauses

Theodor von Schlieffen (1831-1913), General der Kavallerie

Julius von Groß, genannt von Schwarzhoff (1850-1901), Stabschef der deutschen ostasiatischen Truppen

Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913), Generalfeldmarschall, Planer des Zwei-Fronten-Kriegs für den Ersten Weltkrieg (»Schlieffen-Plan«)

Hermann von Eichhorn (1848-1918), Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber der »Heeresgruppe Eichhorn«, in der Ukraine ermordet

Erich Behr (-1918), Kampfflieger im Jagdgeschwader »Richthofen«

Max Hoffmann (1869-1927), Generalmajor und Generalstabschef, Unterzeichner des Friedensabkommens von Brest-Litowsk

Karl von Schönberg (1872-1914), Kommandant des Kreuzers »Nürnberg«, der bei der Seeschlacht vor den Falklandinseln im Dezember 1914 unterging

Werner Freiherr von Fritsch (1880-1939), Generaloberst und Chef der Heeresleitung, durch Intrigen (Vorwurf der Homosexualität) 1938 zum Rücktritt gezwungen

Carl August Freiherr von Gablenz (1893-1942), Vorstandsmitglied bei der Lufthansa

Dr. Erich Schlegel (1866-1938), evangelischer Feldbischof der Wehrmacht (neu hergerichtetes Grab)

Julius Wolf von Stutterheim (1893-1940), Generalmajor und Kommodore eines Kampfgeschwaders

Lothar Arnauld de la Perière (1886-1941), im Ersten Weltkrieg Vizeadmiral, im Zweiten Weltkrieg Kommandant der U-Boote U 35 und U 139

Werner Mölders (1913-1941), Flieger bei der »Legion Condor«, im Zweiten Weltkrieg 150 Abschüsse (neuer Grabstein

Fritz von der Lancken (1890-1944), Oberstleutnant, als Widerstandskämpfer in Plötzensee hingerichtet

Wilhelm Staehle (1877-1944), letzter Kommandant des Invalidenhauses, als Widerstandskämpfer hingerichtet

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