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Geplantes EU-Verbot von CadmiumGift in Solarzellen

Experten wollen Cadmium verbieten. Das schädliche Schwermetall wird in 15 Prozent aller Solarmodule eingebaut. Heute entscheidet das EU-Parlament darüber.

Ein Produkt aus Schwermetallen für ökologisch orientierte Kunden - geht gar nicht, findet so mancher Experte. Bild: dpa

Darf man zugunsten des Klimaschutzes Stoffe einsetzen, die Gesundheit und Umwelt gefährden können? Um die Frage geht es, wenn am heutigen Mittwoch das EU-Parlament über die Neufassung einer Richtlinie über die Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten entscheidet, die RoHS-Richtlinie (Restriction of Hazardous Substances Directive).

Konkret wird dabei über die künftige Zulässigkeit von Cadmiumtellurid in Solarmodulen entschieden. Das ist eine Substanz, die die US-Umweltbehörde EPA als krebserregend betrachtet, ebenso wie die Internationale Agentur zur Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation. Dennoch wird der Stoff in etwa 15 Prozent aller Solarzellen eingesetzt, etwa 100 Gramm pro installiertem Kilowatt.

Experten wollen das beenden. Im September hatte eine internationale Wissenschaftlerinitiative die EU aufgefordert, auch die Fotovoltaik in die RoHS-Richtlinie aufzunehmen - und damit entsprechende Produkte zu verbieten. Auf deutscher Seite ist vor allem Professor Jürgen Werner vom Institut für Physikalische Elektronik der Universität Stuttgart involviert. Er warnt seit Jahren: "Da stimmt schon der Ansatz nicht." Man könne nicht ein Produkt für ökologisch orientierte Kunden aus Schwermetallen fertigen. Hier finde "eine großflächige Verbreitung von giftigen Stoffen" statt. Auch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hatte im Mai dieses Jahres in einer Stellungnahme geschrieben: "Cadmium und Blei in Marktprodukten sollten ersetzt werden, wenn Ersatzstoffe vorhanden sind - und das ist bei der Photovoltaik der Fall."

Gleichwohl stimmte der Umweltausschuss des Europaparlaments bereits im Juni dafür, die gesamten Erneuerbare-Energien-Technologien von der RoHS-Richtlinie auszunehmen. In seinem Bericht heißt es, die Richtlinie dürfe "der Entwicklung von Technologien für erneuerbare Energienquellen nicht entgegenstehen, die umweltfreundlich, nachhaltig und wirtschaftlich rentabel sind." So sollten "photovoltaische Solarzellen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen" werden. Das wichtigste Argument dafür: Die Zellen sind billiger als Siliziumzellen. Allerdings haben sie auch einen geringeren Wirkungsgrad.

Für die Hersteller geht es bei der EU-Entscheidung um viel Geld. First Solar als größter Produzent der umstrittenen Module ist der größte Modulhersteller der Welt und verkauft nur ein Produkt, nämlich Dünnschichtmodule auf Basis des Halbleiters Cadmiumtellurid. First Solar übt daher enormen Lobby-Druck auf die Politik aus.

Über die Entscheidung des Umweltausschusses im Sommer jubelte das Unternehmen und betonte, Cadmiumtellurid und andere Dünnschichttechnologien seien "unverzichtbar in dem Bemühen der EU, ihre Ziele in Bezug auf erneuerbare Energien und damit einhergehend die Bekämpfung des Klimawandels zu erreichen". Im Gegenzug aber werden auch die Wettbewerber der Siliziumfraktion nicht müde, für ein Verbot der cadmiumhaltigen Zellen zu werben. Da Beweise für Gefahr oder Gefahrlosigkeit einer Substanz oft schwierig sind, setzen die Wissenschaftler auf das Vorsorgeprinzip: "Der einzige Weg, Risiken auszuschließen, die mit der Verwendung von Cadmium assoziiert sind, ist, von ihrem Einsatz abzusehen." Heute zeigt sich, ob das EU-Parlament das ähnlich sieht.

BERNWARD JANZING

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10 Kommentare

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  • J
    JanG

    @Anja Celic

     

    Das haben Sie nicht, Uran ist in der Tat eine hochgifitge Substanz. Dass diese bzw. der Gebrauch nicht durch die RoHS reglementiert werden muss, liegt daran, dass bereits durch das wesentlich restriktivere Atomgesetz Vorgaben geschaffen wurden.

  • C
    Chefkoch

    der "US-Dünnschichtkäse" hat im Modulpreis immer noch einen Kostenvorteil von über 20% gegenüber kristallinen Solarmodulen (siehe z.B. PVinsights).

     

    Darüber hinaus haben Dünnschichtsolarzellen ein wesentlich weniger kritisches Verhalten gegenüber Verschmutzung oder diffuser Beleuchtung, was gerade im Zusammenhang mit Solarkraftwerken den Betrieb erheblich vereinfacht und vergünstigt, da z.B. keine teuren und energieaufwändigen Tracker benötigt werden und die Dünnschichtzelle auch bei diffuser Strahlung immer noch respektable Leistung generiert.

     

    Der Wirkungsgrad spielt tatsächlich auch nur eine untergeordnete Rolle, da die Zukunft nicht mehr in tausenden Kleinstanlagen auf Privatdächern spielt, sondern im Solarkraftwerk. Dort ist nicht € / m² / kW ausschlaggebend, sondern nur € / kW. Fläche ist genügend billig vorhanden.

     

    Die Haltbarkeit ist übrigens auf Dauer bei keiner Solarzelle nachgewiesen, lediglich über sogenannte Lifetime-Messungen über die Ladungsträgerdichte in der Zelle geschätzt.

  • C
    Chemiker

    "Experten wollen Cadmium verbieten."

     

    Durch die Verkürzung wird der Satz falsch. Cadmium lässt sich nicht verbieten, seine Verwendung in Produkten allerdings schon.

  • K
    klar-solar

    Silizium gibt es wie Sand am Meer und ist ungefährlich. Was soll also das ganze giftige Zeug, ob es nun Cadmium oder Selen oder sonstwas heißt? Es gehört nicht in Solarzellen und daher verboten. Ich sehe Parallelen zur Asbestproblematik und hoffe, sowas bleibt uns und vor allem der nächsten Generation in Sachen Solarzellen erspart.

  • V
    vic

    Was ein Glück, dass wir die gesunde Atomkraft und die Kohle haben, so dass wir das gefährliche Regenerativ-Zeugs nicht benötigen, was?

  • D
    Daniel

    Prima. Und dann bitte endlich auch Quecksilber verbieten. Vor allem in Energiesparlampen, die größtenteils im Restmüll landen.

  • T
    Tammo

    Die Dünnschicht-Photovoltaikzellen sind doch eine gute Senke für anfallendes Cadmium aus der Zinkindustrie und dem Metallrecycling.

    Nur mit viel Phantasie kommt Cadmium aus einer Photovoltaikzelle in die Nahrungskette.

  • OC
    Oliver Cromwell

    [...] setzen die Wissenschaftler auf das Vorsorgeprinzip: "Der einzige Weg, Risiken auszuschließen, die mit der Verwendung von Cadmium assoziiert sind, ist, von ihrem Einsatz abzusehen."

     

    Genau, wir sitzen einfach nur noch den ganzen Tag phlegmatisch rum und nuckeln am Daumen. So wird niemandem etwas passieren.

  • AC
    Anja Celic

    Ja, Cadmium ist ziemlicher Mist. Aber kann mir mal jemand erklären, warum Photovoltaik-Kraftwerke unter die RoHs-Richtlinie fallen sollen und Atomkraftwerke nicht? Oder habe ich das mit dem Uran irgendwie falsch verstanden?

  • W
    Waage

    Warum diesen US - Dünnschichtkäse verbauen?

    So teuer sind kristalline Zellen aus europäischer oder japanischer Fertigung auch nicht mehr.

     

    Die haben den besten Wirkungsgrad, eine inzwischen annehmbare Energiebilanz, den kleinsten Platzbedarf auf dem Dach, eine nachgewiesen lange Haltbarkeit und sie lassen sich schlussendlich recyceln oder gefahrlos entsorgen.