Geplantes Atomendlager Gorleben: Das verdrängte Vorbild
Der Salzstock in Gorleben sei mit der Asse nicht vergleichbar, beteuert die Politik. Experten bezweifeln das allerdings.
Egal wie laut die Kritik am einsturzgefährdeten, von Wasser durchfluteten Atommülllager Asse ist: Konsequenzen für ein mögliches Endlager im Salzstock Gorleben lehnt die Politik bisher strikt ab. Nicht nur Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte jüngst, sie halte Gorleben für sicher und sei nicht willens, weiterhin Geld und Zeit mit der Untersuchung anderer Standorte zu vergeuden. Auch Umweltminister Sigmar Gabriel beharrt zwar einerseits auf dem Gorleben-Moratorium und verweist auf sein vor exakt zwei Jahren vorgelegtes Konzept für eine neue Endlagersuche; andererseits erklärt er aber stets: "Die Situation in Gorleben ist mit der Asse nicht zu vergleichen."
Die Einschätzung überrascht, denn die Asse galt lange Zeit offiziell als Pilotprojekt für Gorleben. Noch im Jahr 2001 hieß es, die Versuche in der Asse hätten das Ziel, "für ein geplantes Endlager im Salzstock Gorleben die entsprechenden Techniken bereitzustellen". Die Aussage stammt von Professor Klaus Kühn, der als langjähriger Leiter des Asse-Betreibers von der Union gern als "Endlagerpapst" zitiert wird (siehe rechts).
Fest steht: Gorleben und Asse haben das gleiche Wirtsgestein, nämlich Salz. Über die potenziellen Probleme dieses Gesteins seien sich alle Wissenschaftler einig, sagt der Geologe Jürgen Kreusch aus Hannover: "Bei Endlagerung in Salz ist Wasser der Feind überhaupt." Der entscheidende Unterschied ist, dass in der Asse jahrzehntelang Salz abgebaut wurde, sodass es viele Hohlräume gibt.
Gorleben hingegen, so betonen die Befürworter stets, ist ein weitgehend unberührter Salzstock, in dem eigens für die Atommülllagerung Hohlräume geschaffen würden. Darum könne man sich beim Bau des Endlagers von potenziell wasserführenden Schichten und vom Rand des Salzstockes fernhalten und die Einsturzgefahr sei geringer, bestätigt Kreusch.
Andererseits ist ein Endlager für hochradioaktiven Müll ganz anderen Belastungen ausgesetzt als das für schwach- und mittelradioaktiven Müll bestimmte Lager Asse. Hochradioaktiver Müll ist nicht nur viel radioaktiver und gefährlicher, sondern auch sehr heiß. In Gorleben werden die Behälter an der Oberfläche 200 Grad warm sein, sagte Kreusch. "Dadurch heizt sich der Salzstock langsam über mehrere Jahrhunderte hin auf."
Durch den heißen Atommüll dehnt sich später der gesamte Salzstock aus und zieht sich bei Abkühlung wieder zusammen. "Dadurch können im Salz Wasserwegsamkeiten entstehen", meint Kreusch. Wenn in einem Endlager Gorleben der Atommüll mit Salzlauge in Kontakt komme, ist dies nach Ansicht des Geologen besonders gefährlich. Denn in Gorleben fehlt eine zweite geologische Barriere über dem Salzstock: Statt einer durchgängigen Gesteinsformation, dem sogenannten Deckgebirge, befindet sich dort über dem Salzstock nur Geröll. Für Keusch ist darum klar: "Dort kann das Deckgebirge die Radionuklide nicht von der Biosphäre abhalten."
In die Schlagzeilen geraten ist die Asse vor allem, weil in das "Versuchsendlager" mit seinen 126.000 Atommüllfässern seit Jahren unkontrolliert große Mengen Wasser strömen; durch den Kontakt mit dem Atommüll ist die Lauge radioaktiv belastet. Der Gefahr, dass auch in ein Endlager Gorleben eines Tages aggressive Salzlauge einströmen könnte, waren sich die Betreiber durchaus bewusst. Das zeigen die Protokolle der in der Asse durchgeführten Versuche, die der taz vorliegen. In eigens angelegten neuen Stollen wurden Verschlussstoffe untersucht, die "im hydrologischen Störfall den Zutritt von Sole oder Wasser" verzögern und "die Transportgeschwindigkeiten von Umkleiden im Fluid verringern" sollten. Zudem führten die Asse-Forscher "geochemische Untersuchungen zum Störfall, Wasser- oder Laugeneinbruch" durch und entwickelte "Aufbauwerke", die dazu beitragen sollten, "eine mögliche Belastung der Biosphäre nach der Stilllegung eines Endlagers zu vermeiden".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service