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Geplante Deutschtests in BerlinErste Prüfung mit drei Jahren

Der Berliner Schulsenator Zöllner will auch Dreijährige Deutschtests machen lassen. Zudem möchte er die Kitapflicht für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen einführen.

Klötzchenbauen: 3, Deutsch: Note unbekannt Bild: ap

Es ist grad einen Monat her, da verkündete Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) seine zu einem "Qualitätspaket" gebündelten 29 bildungspolitischen Maßnahmen für das Jahr 2011. Dazu gehörte unter anderem ein verbindlicher Sprachtest für vierjährige Kinder. Nun hat der rührige Senator schon wieder einen neuen Plan: Er lasse prüfen, ob nicht schon dreijährige Kinder einem obligatorischen Sprachtest unterzogen werden könnten, sagte Zöllner am Montag. Damit sollten vor allem die Sprachprobleme von Kindern aus Zuwandererfamilien gelöst werden, so Zöllner weiter.

Welche Konsequenzen der frühe Test haben soll, ließ der Senator bislang offen. Mit dem bereits im November angekündigten Deutschtest für Vierjährige plante er die Einführung einer "De-facto-Kita-Pflicht", so der Senator: Wer den Test nicht bestehe, solle im letzten Jahr vor der Einschulung fünf Stunden am Tag die Kita besuchen müssen. Eltern, deren Kinder dieser Pflicht nicht nachkommen, "begehen eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld geahndet werden sollte", heißt es in Zöllners Qualitätspaket.

Die Rechtsgrundlage für den verpflichtenden Kitabesuch solle durch eine Änderung des Schulgesetzes geschaffen werden, kündigte Zöllner-Sprecher Christian Walther an. Dabei soll die Schulpflicht für die im Test gescheiterte Gruppe auf den Kitabesuch ausgeweitet werden. Getestet werden solle nur in der deutschen Sprache, so Walther weiter, denn "das ist ja die Sprache, um die es in der Schule geht".

Gerade die letzten beiden Punkte halten Expertinnen für heikel: Man könne zwar durchaus den Sprachstand Dreijähriger testen, sagt die Berliner Pädagogin Havva Engin, Expertin für kindliche Sprachentwicklung und Leiterin des Interkulturellen Kompetenzzentrums an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Deren Sprachentwicklung sei allerdings "noch lange nicht abgeschlossen", so Engin.

Gerade bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern - bei den unter Dreijährigen etwa 50 Prozent - ergebe ein Test deshalb nur dann einen tatsächlichen Einblick in den Sprachentwicklungsstand, wenn "die Gesamtentwicklung in allen Sprachen, die das Kind lernt", getestet werde. Für problematisch hält Engin zudem "punktuelle Tests so junger Kinder durch Fremde": "Allein diese ungewohnte Situation verfälscht die Ergebnisse."

Auch die integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus Canan Bayram sieht dieses Problem. Nicht nur die Befragung kleiner Kinder durch Fremde hält die Juristin für "rechtlich angreifbar": "Eine Kitapflicht ist grundsätzlich nicht mit unserer Verfassung vereinbar. Und eine Kitapflicht mit solch einem Defizitansatz halte ich für verfassungswidrig und deshalb nicht praktikabel."

Die Grüne hält den Vorstoß des Senators für "heiße Wahlkampfluft, bei der sich die Buschkowsky-Methode durchsetzt hat: Es werden Fakten geschaffen auf Kosten von Menschen, die sich nicht wehren können." Man werde die Eltern künftig entsprechend gut beraten müssen, erklärte Bayram.

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5 Kommentare

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  • L
    Lincoln

    Wenn man durch die einschlägigen Stadtteile geht, braucht man nur die Ohren auf zu machen und man versteht, warum es an schulischen und Leistung in der Ausbildung hapert. Nämlich Deutsch in Schrift und Sprache!

    Ich hatte selber Auszubildende mit Migrationshintergrund und als Ausbilder kann man nicht das nachholen, was in der Kindheit und in der Schule versäumt wurde (gilt übrigens auch für Deutsche!). Woher kommt den der Frust und damit das Gewaltpotential? Mal hinterfragen! Es ist die Grundlage des Lernens, die SPRACHE!!!!

    In den vergangenen Jahrzehnten wurde unser Schulsystem von einer Reform zur Nächsten gescheucht und so immer weiter eruiert, mit der Folge, dass man vielfach mühsam als Ausbilder eine Textaufgabe!!! noch erklären muß!

    Das gleiche gilt für die total schiefgelaufene Integration. Da haben die Niederlande, was die Sprache betrifft, rechtzeitig gegengesteuert!. Dort gilt, wer die Landessprache in Wort und Schrift nicht ausreichend kann, der darf nach Hause gehen! Klingt hart, aber fair. Ich kann mich nicht in einem fremden Land niederlassen und meinen die Mehrheit müsse meine Sprache annehmen!

  • H
    Hatem

    @AlexsZander

     

    Was "wir" wollen - und was für die Kinder das Beste ist: Dass ihre Eltern ihnen ganz natürlich die Sprache des Landes beibringen in dem sie leben und zur Schule gehen werden: Deutsch.

     

    Und eigentlich sollte man erwarten, dass alle Eltern das schon aus Liebe zu ihren Kindern von selber tun. Eigentlich...

  • A
    AlexsZander

    Die Kindheit endet immer früher und niemanden scheint es zu interessieren. Längst sind wir so darauf gepolt zu funktionieren, dass wir gar nicht mehr erleben, was wir den Kindern immer früher zumuten nach der Logik eines künstlichen Systems zu funktionieren. Ob die Kinder bereits derart früh Sprachtests absolvieren sollen, ist viel mehr als eine instrumentelle pädagogische Frage nach der besten Methode frühkindlicher Förderung, es ist vielmehr eine kulturelle Frage, es ist die Frage ob die Leistungsgesellschaft in allen Lebensbereichen verabsolutiert werden soll, es ist die Frage wie wir leben wollen.

     

    Wollen wir Eltern, die mit ihren Kindern im Alter von 3 Jahren bereits auf Deutschtests lernen. Wollen wir Eltern, die sich Sorgen um die Zukunft ihres Kindes machen müssen, nur weil es mit seiner Sprachentwicklung ein paar Monate hinter den anderne Kindern ist?

     

    An sich wäre gegen verbindliche Sprachtests nichts einzuwenden. Vorausgesetzt die Ergebnisse können keine negativen Folgen für das weitere Vorankommen der Kinder haben. Vorausgesetzt die Ergebnisse können nicht zu Rate gezogen von Auswahlkomitees für Grundschulen, die bereits im Alter von 6 Jahren zwischen den zukünftigen "Eliten" und dem zukünftigem "Plebs" selektieren. Vorausgesetzt ein schlechtes Testergebnis kann nicht zu einem frühzeitigen Ende der Kindheit führen.

    Glauben wir wirklich, dass diese Testergebnisse efüllt werden?

  • P
    Petersson

    Wie Sie so richtig schreiben: Die Sprachentwicklung ist bei Dreijährigen noch nicht abgeschlossen.

    Gerade deshalb ist ja Zöllners frühe Förderung goldrichtig.

    Plädieren Sie allen Ernstes dafür, dass das Kind erst in den Brunnen gefallen sein muss, bevor man anfängt, den Rettungsring zu werfen? Dann hat es schon verdammt viel Wasser geschluckt und Ängste ausgestanden, die vermeidbar gewesen wären.

    Es geht um die Kinder, ihr Glück, ihr Selbstbewusstsein, ihre Chancen im Leben. Um nichts anderes. Dafür ist die beherrschung der Landessprache die Basis. Und so früh passieren nun einmal Weichenstellungen; das wissen wir doch alle und sehen es in den Schulen.

    Frau Bayram, die zu den Grünen wechselte, weil in der SPD alle Pöstelchen gerade verteilt waren, sollte sich eine Weile mit öffentlichen Schüssen gegen ihre alte Heimat zurückhalten und grüne Basisparteiarbeit machen. Kulturfrage.

  • H
    Hatem

    Wie lautet denn der Gegenvorschlag von Frau Bayram?

    Alles weiter laufen lassen, wie bisher: Kinder werden eingeschult und können mangels Sprachkenntnissen dem Unterricht nicht folgen?