■ Das Portrait: Georges Marchais
Georges Marchais hat eine Elefantenhaut. „Ich bin es gewohnt, daß Stars von außen kommen und mich schlagen wollen“, sagt er und lächelt unerschütterlich. Dennoch war sein Abgeordnetenmandat noch nie so gefährdet wie heute. Der Chef der französischen KP vertritt das Departement Val-de-Marne seit 20 Jahren in der Nationalversammlung. Bei den bevorstehenden Wahlen droht ihm erstmals eine Niederlage. Dabei könnte ihm die Linke die entscheidenden Stimmen nehmen: Gegen ihn kandidieren zwei Führer des Aufstands vom Frühjahr 1968.
Gefährlichen Widerstand muß Marchais auch in den eigenen Reihen bekämpfen. Vor allem der einflußreiche reformkommunistische Bürgermeister von Arcueil, Marcel Trigon, hatte vehement gegen seine Kandidatur gekämpft. Der 73jährige sei zu alt und „den Leuten nicht nahe“, sagte Trigon. Auf die Brutalität des parteiinternen Kampfes läßt seine Bemerkung schließen: „Ich stütze Marchais, wie die Kordel den Erhängten stützt.“ Dennoch gewann Marchais die Abstimmung in der örtlichen Parteisektion knapp.
hier Foto Nr. 6
Foto: Sven Simon
Für den KP-Chef ist das magere Ergebnis natürlich kein Anlaß zu Selbstzweifeln: „Die Kommunisten haben mich nach einer großen demokratischen Debatte auf allen Ebenen der Partei als Kandidaten designiert.“ Die Rede von der innerparteilichen Demokratie nimmt ihm in Frankreich jedoch niemand mehr ab. Denn Marchais ist ein unverbesserlicher Betonkopf. Trotz zahlreicher Fehlschritte diktiert er allein die Marschrichtung der Partei. Es hat ihm nicht geschadet, daß er den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan begrüßt und Gorbatschows Perestroika bekämpft hat. Bis heute sind auch die Zweifel an seiner Vergangenheit nicht ausgeräumt. Marchais behauptet, er sei während des Krieges in ein Arbeitslager deportiert worden, obwohl es Hinweise gibt, daß er freiwillig für die Fabrik Messerschmidt gearbeitet hat.
Heute muß sich der Generalsekretär mit seinen Gegnern arrangieren, um den letzten Einfluß der KPF auf die nationale Politik zu retten. Denn nur wenn Kommunisten und Reformkommunisten zusammengehen, hat die Partei die Chance, erneut Fraktionsstärke in der Nationalversammlung zu erlangen. Falls Marchais sein Abgeordnetenmandat verliert, darf er noch einmal alle Register ziehen, um sich als Parteichef zu behaupten. Bettina Kaps
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