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KOMMENTARGeorge Bushs Flucht nach vorn

■ Die Gesprächsbereitschaft mit Saddam Hussein hat innenpolitische HintergründeKOMMENTARE

Trotz der erfolgreichen Verabschiedung der UNO-Resolution über ein mögliches militärisches Vorgehen gegen den Irak nach dem 15. Januar war dies keine gute Woche für den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Der am Freitag vorgestellte Gesprächsvorschlag an die Adresse Bagdads erklärt sich nicht etwa aus einem neuerwachten Interesse an einer politischen Verhandlungslösung, sondern dient vor allem der Beschwichtigung einheimischer Kritiker.

Ein Nuklearexperte nach dem anderen hatte George Bushs zuvor in Saudi-Arabien ausgesprochene These zerpfückt, daß die baldige Atomwaffenfähigkeit Saddam Husseins zu schnellem und militärischem Handeln zwinge. Zum einen seien die irakischen Atombombentechniker noch lange nicht so weit; zum anderen werde selbst die Verfügungsgewalt über eine Atombombe an der militärischen Situation in der Region überhaupt nichts ändern, so die Meinung der Experten. Kurzum, Bushs verzweifelter Versuch, mit „Saddam, dem Bombenschreck“ die militärische Ungeduld seiner Administration zu legitimieren, schlug kläglich fehl. Der Präsident, so hatten selbst die etablierten Medien bald herausgefunden, hatte mit seiner neuen Begründung nur versucht, auf die Meinungsumfragen zu reagieren, nach denen rund sechzig Prozent aller Amerikaner die Verhinderung einer irakische Atombombe noch am ehesten als Kriegsgrund akzeptieren würden.

Und auch des Präsidenten zweiter Trick, den Auftritt von Außenminister Baker und Generalstabsvorsitzenden Powell bei den Anhörungen des Verteidigungsausschusses erst nach der UNO-Resolution zu erlauben, mißlang. In Abwesenheit der beiden Administrationsadjutanten war so für den Ausschussvorsitzenden Sam Nunn bei den Hearings die Bühne frei, sich mit sachlicher Kritik am Krisenmanagement der republikanischen Administration als demokratischer Präsidentschaftskandidat für die nächsten Wahlen zu empfehlen. Der einflußreiche Senator aus Georgia kritisierte unwidersprochen die Verdopplung der US-Streitkräfte am Golf und ließ dann die Woche hindurch eine ganze Phalanx von Ex-Generälen und ehemaligen Außenministern vor seinem Ausschuß vorbeischwadronieren, die alle etwas an der Ungeduld der Bush-Administration auszusetzen hatten.

So entstand ausgerechnet in der Woche, in der sich George Bush mit allen möglichen Bestechungen und politischen Deals die Stimmabgabe (oder Stimmenthaltung) der Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat erkauft hatte, im eigenen Lande der Eindruck, seine Golf-Politik sei nicht mehr mehrheitsfähig. Der Kongreß verlangte lautstark eine öffentliche Debatte, führende Mitglieder der Nixon-, Ford- und Reagan-Administrationen mahnten zur Vorsicht und auch das Volk aus rezessionsgeplagten Christmas-Shoppern gab sich in Meinungsumfragen alles andere als kriegslüstern.

Dieser innenpolitische Druck und nicht das Ausloten von möglichen Kompromissen ist der Hintergrund der jetzt vorgeschlagenen Außenministerbesuche. Nach der Kritik und den Zweifeln an seiner Politik ist George Bush mit seinem Gesprächsangebot an Saddam Hussein die Flucht nach vorne angetreten, die Flucht hin zum entscheidenden Datum des 15. Januar 1991. Rolf Paasch

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