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Georg Kreisler liest in BerlinUnd er lebt doch!

Der 87-Jährige Kreisler liest in Berlin. Mit seiner unverkennbar kratzenden Kreisler-Stimme und seiner viel zu großen Brille auf der Nase trug er aus seinen autobiografischen "Letzten Liedern" vor.

Zwar langsam und bedächtig, aber ganz und gar lebendig las er am Samstag in der Berliner Akademie der Künste. Bild: dpa

Georg Kreisler lebt! Auch wenn ihn die FAZ schon 2007 für tot erklärte und die Zeitung damit vermutlich nicht alleine steht, auch wenn Kreisler seine "Letzten Lieder" schon geschrieben hat. Zwar langsam und bedächtig, aber ganz und gar lebendig las er am Samstag in der Berliner Akademie der Künste.

Mit seiner unverkennbar kratzenden Kreisler-Stimme und seiner viel zu großen Brille auf der Nase trug er aus seinen autobiografischen "Letzten Liedern" vor. Der Chansonnier, Kabarettist, Dichter und Schriftsteller erzählte von seinem heimatlosen Leben, spottete über Wien, Berlin und New York. Kein Aufenthaltsort ist ihm, der 1938 vor den Nazis fliehen musste, zur Heimat geworden.

"Letzte Lieder" sind die Lebensansichten eines Künstlers, der sich auf eine ganz bestimmte Art verkannt fühlt: Alle nennen stets die Chansons "Taubenvergiften im Park" und "Zwei alte Tanten tanzen Tango", selten jemand sein erfolgreichstes Stück, "Heute Abend: Lola Blau", oder gar einen seiner Romane.

Vielleicht hat Kreisler deshalb das Singen 2001 eingestellt. Er versucht an seinem Lebensabend die Sicht auf sein Werk zu korrigieren - durchaus mit Erfolg: Die Lesung ist ausverkauft, schon seit Monaten, in einem Vorraum wird sie von denen, die keine Karte mehr bekommen haben, auf einem Fernsehbildschirm verfolgt. Das Publikum ist sehr wohlwollend, es klatscht, als er nur den Raum betritt, und lacht bei jeder Gelegenheit. Einmal singt er sogar, doch nicht vom Taubenvergiften: Kurz intoniert er die österreichische Nationalhymne der 30er-Jahre.

Seine Bemühungen, nicht nur als Sänger seiner "Everblacks" in Erinnerung zu bleiben, sind in jedem Fall nicht ganz ohne Wirkung geblieben.

Die Akademie der Künste hat sein Archiv erworben und es nicht bei den Kabarettisten, sondern bei den Schriftstellern eingeordnet. Und der 87-Jährige arbeitet weiter daran, als Multitalent anerkannt zu werden: Im November wird seine zweite komische Oper "Das Aquarium oder Die Stimme der Vernunft" in Rostock uraufgeführt.

Ganz zufrieden scheint Kreisler freilich noch nicht. Eine "stolze Resignation" erkannte Rechtsanwalt und Kunstliebhaber Peter Raue, der in der Akademie der Künste eine kurze Laudatio auf Kreisler hielt, in den "Letzten Liedern". Kreisler sei eben immer zu unangepasst gewesen, habe nicht dem Publikumsgeschmack entsprechen, sondern ein Künstler sein wollen. "Erst wenn wir am Abend in einen Konzertsaal gehen, begreifen wir die Wirklichkeit unsereres Lebens" heißt es in "Letzte Lieder".

Die Berliner Zuhörerschaft scheint auch in Kreislers Werk ebenjene Wirklichkeit zu finden: Am Schluss gab es Standing Ovations für einen von seiner Lesung zwar erschöpften, aber zufrieden wirkenden Georg Kreisler - im und vor dem Saal.

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