■ Scheibengericht: Georg Glasl - Kelvin Hawthorne
Bach, Beckerath,
Genzmer, Niehaus, Thoma
Cavalli Records
Meine Tante Aja spielte noch Zither. Einmal in der Woche ging sie in den Zitherclub. Heute liegt sie im Pflegeheim, das Saiteninstrument verstaubt auf der Bühne, und den Club gibt es schon lange nicht mehr. Die Zither – eine aussterbende Spezies unserer Breiten, die nur noch in der Nische der Volksmusik der Alpenlädner gepflegt wird?
Das kastenförmige Saiteninstrument hatte immer ein ganz spezielles Problem, das es mit Akkordeon und Mundharmonika teilte: Weil es vorwiegend in der „niederen Volksmusik“ zu Hause war, wurde es von der Hochkultur nie akzeptiert. Darunter leiden seine Musiker bis heute. Georg Glasl ist einer der Zithervirtuosen der jüngeren Generation, der beweisen möchte, daß die Vorurteile gegenüber dem Instrument zu unrecht bestehen. Hatte sich der Bayer auf seinem Erstling noch stark für die Renaissancemusik interessiert – etwa für die Musik der spanischen Vihuela – so wendet er sich auf seinem Neuling zusammen mit dem Bratschenspieler Kelvin Hawthorne hauptsächlich der zeitgenössischen Zither-Literatur zu, einer Musik neoklassischen bis neutönerischen Zuschnitts, die, obwohl makellos gespielt, mir nicht richtig behagen will, weil sie so angestrengt bedeutend zu klingen versucht. Spannender empfinde ich Glasls Transkription der Solosuiten für Violoncello von Johann Sebastian Bach, deren verschlungene barocke Kontrapunktik er meisterhaft interpretiert. Keine Zitterpartie!
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