Gentrifizierung in Hamm: Abriss gegen günstige Mieten
Eine Genossenschaft will einen Alt- durch einen Neubau ersetzen. Die Mieten würden sich dadurch verdoppeln. Die Bewohner wehren sich.
Die Gentrifizierung hat Hamm-Nord erreicht. Ausgerechnet eine Baugenossenschaft will einen Altbau aus den 20er Jahren am Elisabethgehölz abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Die Durchschnittsmiete von 4,50 Euro soll dann auf bis zu 11,50 Euro steigen. Betroffen sind 122 Wohnungen. Die Durchschnittsgröße beträgt bisher 50 Quadratmeter, geheizt wird zum Teil noch mit Kohleöfen.
Für Sabine Otto wären die Abrisspläne eine Katastrophe. Die 44-Jährige lebt mit ihren drei Kindern seit fünf Jahren in dem Rotklinkerbau. Auf eigene Kosten hat sie einen Durchbruch zwischen zwei Wohnungen machen lassen, und lebt so auf 100 Quadratmetern - für 560 Euro Kaltmiete. In dem geplante Neubau wären es 1.150 Euro. Unbezahlbar für die Alleinerziehende.
Die Eigentümerin, die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) begründet ihre Entscheidung für den Abriss mit dem maroden Zustand der Wohnanlage, die an den Straßen Curtiusweg 1-5, Am Elisabethgehölz 3-7 und Chapeaurougeweg 16-20 liegt. Eine Sanierung wäre mit "sehr hohen Kosten" verbunden und sei mit den niedrigen Mieten nicht finanzierbar. Außerdem würden so auch keine modernen Wohnungen entstehen.
Die VHW glaubt, "die zum Teil ungünstigen Wohnungsgrundrisse erfüllen nicht die heutigen Vorstellungen vom Wohnen". Der Vorstand um Marcus Kopplin hat den Mietern angeboten, innerhalb Hamms in eine der gut 1.300 Wohnungen aus eigenem Bestand umzuziehen. Acht Wohnungen stehen schon leer, weitere 17 Mieter hätten bisher gekündigt, so die VHW.
Ein Großteil der Bewohner aber will um ihr Heim kämpfen und hat die Initiative "Rettet Elisa" gegründet. Unterstützt wird sie vom Mieterverein zu Hamburg: "Es kann nicht sein, dass alt eingesessene Mieter verdrängt werden", sagt Jurist Wilfried Lehmpfuhl, "zumal Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen derzeit kaum eine Chance haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden."
Der Mieterverein hat nun durch den Architekten Joachim Reinig eine eigene Begutachtung vornehmen lassen. Der spricht von einer "wunderbaren Grundsubstanz" und macht sich für den Erhalt der Gebäude stark. Mit ein paar Instandsetzungsmaßnahmen sei der Komplex auch weiterhin bewohnbar. "Hier stehen doch genau die Wohnungen, die in Hamburg gebraucht werden", sagt Reinig und wirft der VHW "nackte Verdrängung" vor. Nicht jede Wohnung müsse mit Zentralheizung ausgestattet sein. Für viele Menschen seien eine günstige Miete und Heizkosten wichtiger, so Reinig.
Die VHW geht einer direkten Auseinandersetzung aus dem Weg. An einer Podiumsdiskussion heute will sie nicht teilnehmen. Die Themen seien "nicht geeignet, in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert zu werden" schrieb die Genossenschaft.
Leser*innenkommentare
Sozialromantiker
Gast
Wie alle aktionistischen Grünen interessiert
sich der wenig sachkundige Herr Frohmann weder
für die Einkommensverhälntnisse der armen Mieterlein
noch für die Tatsache, das auch hundert Jahre angebliche Energieeffizenz nichts im Vergleich zu dem sind was Abriss und Neubau an Energie verschwenden.
Vom entstehenden Müll durch Bauschutt und Sondermüll
in Form von Biozidverseuchtem Polystyrol und Kleber
mal ganz abgesehen....
Energiesparlampe lässt grüssen...
Macht aber nix, neben Gorleben und ehemaligen Bergwerken kann man sicherlich mit weiteren Deponien
die deutsche Heide zupflastern...die sind garantiert auch "Green"....
Sozialromantiker
Gast
Wie alle aktionistischen Grünen interessiert
sich der wenig sachkundige Herr Frohmann weder
für die Einkommensverhälntnisse der armen Mieterlein
noch für die Tatsache, das auch hundert Jahre angebliche Energieeffizenz nichts im Vergleich zu dem sind was Abriss und Neubau an Energie verschwenden.
Aber sich über Einwegdosen aufregen..
Vom entstehenden Müll durch Bauschutt und Sondermüll
in Form von Biozidverseuchtem Polystyrol und Kleber
mal ganz abgesehen....
Energiesparlampe lässt grüssen...
Macht aber nix, neben Gorleben und ehemaligen Bergwerken kann man sicherlich mit weiteren Deponien
die deutsche Heide zupflastern...die sind garantiert auch "Green"....
Leif Olsen
Gast
Na, zum Glück haben wir Leute wie Mathias Frommann, der weiß, wo der Hund begraben liegt. Oder doch nicht?
Ich würde von Ihnen gerne mal wissen, wie man in einem Mietshaus eine Differnez von 590 € nur über Energieersparnis wieder reinbekommen will? Das ist nämlich die Differenz zwischen alter und neuer Miete.
Es kann sich eben nicht jeder so eine Miete leisten. Klimaschutz hin oder her...
Mathias Frommann
Gast
Weder der Artikel noch die Kommentare gegen einen Abriß der moroden Häuser sind von besonderer Sachkenntnis getrübt. Zum Glück bestimmen auch opportunistische Politiker nicht, was die Genossenschaft tut.
Ein Neubau ist in jedem Fall wesentlich energieeffizienter als jede Sanierung und schont damit langfristig nicht nur die Umwelt, sondern auch die Geldbörsen der Mieterinnen und Mieter.
Stefan Jahn
Gast
@Thomas Cirsovius:
HAHA! Da irren Sie sich gewaltig!
Ich habe den ersten Satz von Hans Streck ZITIERT!
Wenn Sie genauer hinsehen, dann sehen sie auch die Anführungszeichen, die sehen übrigens so aus: "
Thomas Cirsovius
Gast
Ein hervorragender taz-Artikel, der die Problematik objektiv aufzeigt. Zum Glück sind alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien gegen den Abriss. Dass hingegen die beiden "kritischen Leserbriefe" von "Stefan Jahn" und "Hans Streck" mit einem gleichlautenden Einleitungssatz beginnen, deutet auf Absprache von interessierter Seite hin.Die Öffentlichkeit wird sich jedoch nicht veralbern lassen!
Stefan Jahn
Gast
"Günstiger Mietraum ist wichtig, aber wenn der geringe Mietpreis die Stadt regiert, leben wir am günstigsten in Zelten oder Bretterbuden."
Bitte??? Woher haben sie das denn? Vom Verband der Immobilienbesitzer? Es gibt in Hamburg so einige Beispiele, wo es einen äußerst geringen Mietpreis gibt und die Mieter nicht in den letzten Bruchbuden wohnen müssen. Das Problem der hohen Mieten gerade in HH ergibt sich aus dem Profitstreben der Vermieter!
Die allermeisten Sanierungen werden doch vollzogen, weil man gerne mehr Geld für seine Immobilie haben möchte. Dass Modernisierungen aus purer Liebe zu Mietern passieren, ist der totale Einzelfall.
Ansonsten sollte sich gerade eine Genossenschaft mit dem Willen derjenigen Befassen, die Teil dieser Genossenschaft sind.
Hans Streck
Gast
Günstiger Mietraum ist wichtig, aber wenn der geringe Mietpreis die Stadt regiert, leben wir am günstigsten in Zelten oder Bretterbuden. Das kann nicht Mass aller Dinge sein.
Vielmehr muss in Zukunft auch investiert werden und das kostet nun mal - auch die Bewohner, ob als Mieter oder als Genossenschaftsmitglied. Langfristig wird aber jeder Mieter einsehen, dass Komfort, Energieersparniss und Umweltschutz es wert sind.
Dass eine Genossenschaft aber auch andere Ziele verfolgen sollte, als die reinste Profitmaximierung ist klar. Verantwortung für Architektur, soziale Ausgewogenheit, Umweltschutz und Stadtteilentwicklung sollten selbstverständlich sein. Letztlich liegt aber auch das an den Genossenschaftsmitgliedern, welche Werte sie in ihrer Gemeinschaft für wichtig erachten. Eine Genossenschaft funktioniert wie die Gesellschaft allgemein - die Werte bestimmen wir als Gruppe immer noch selbst. Da wird also doch was zu machen sein.