Genossen machen die taz: Die Waffe der Missionare
Das „gute Leben“ ist eine Gewissheit und ein Kampfbegriff. Wir alle wollen nichts davon wissen, dass das Leben nur dann ein gutes ist, wenn es das von anderen nicht zerstört.
E s wurde missioniert, bekriegt, gehandelt oder gereist – und immer ging es ums angeblich gute Leben. Seit alters her ist das „gute Leben“ eine Gewissheit und ein Kampfbegriff. Wer im Namen des guten Lebens unterwegs ist, kennt keine Zweifel.
Als die ersten Missionare sich auf den Weg in die Ferne machten – Jona ist der erste, den die Bibel erwähnt –, ging es nicht darum, das gute, sondern das richtige Leben zu verkünden. Wie die Bekehrten zuvor lebten oder ob sie vielleicht ein gutes Leben hatten, das interessierte die Missionare nicht. Mit Feuer und Schwert wurde das gottgefällige Leben durchgesetzt, das dann für die Bekehrten oft ein hartes Leben wurde. Das gute Leben indessen wurde vertagt auf die Zeit nach dem Tod. Dieser Grundgedanke des christlichen Sendungsbewusstseins findet sich bis heute, auch im Islam.
Es ist auch gut erforscht, wie die Portugiesen, Holländer, Briten, Franzosen, Dänen und Schweden sich seit dem 15. Jahrhundert unter Palmen an der Küste Ghanas bekriegten, um den afrikanischen Königen Geschäftsprivilegien abzuringen, die dann das gute Leben in Europa finanzieren sollten. Und auch der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm ließ im 17. Jahrhundert seine Festung Groß Friedrichsburg an die afrikanische Goldküste bauen, und seine Schiffe schafften Tausende Sklaven über den Atlantik. Wie war das Leben dort zuvor, bevor die Europäer eintrafen? Das kann die Anthropologie bis heute nicht sagen. Wie starren immer nur in den Spiegel unserer selbst.
Als Touristen fliegen wir überallhin und haben den ärmsten Ländern beigebracht, dass bettelnde und sich prostituierende Kinder mehr zum Lebensunterhalt der Familie beitragen können als das traditionelle Handwerk des Vaters. Wir erzählen Indonesiern, dass sie ihren Tropenwald erhalten müssen, und sie antworten: Ihr sorgt euch nicht um uns, sondern um euer Klima. Sie haben recht. Wir alle wollen nicht wissen, dass Leben nur ein gutes sein kann, wenn es das anderer nicht zerstört.
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