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Generationswechsel 2005Die Chancen nutzen

■ Ein Wandel bedarf der radikalen Reform

Spätestens im Jahr 2005 wird es so weit sein: Die meisten ProfessorInnen, die während des Öffnungsbeschlusses in den Siebzigerjahren an die Hochschulen berufen wurden, werden emeritiert. Eine Chance, die in vielerlei Hinsicht genutzt werden muss.

Es wird nicht reichen, alte ProfessorInnen durch jüngere zu ersetzen. Eine grundlegende Änderung der verkrusteten Hochschulstruktur muss dem Generationenwechsel vorangehen, sonst wird kein frischer Wind wehen.

Die essenzielle Frage dabei ist: Wer hat die Entscheidungsmacht für die Neuberufungen in der Hand ? Im Moment ist das eine professorale Übermacht, die natürlich nur die ihr genehmen Personen in ihren Kreis erhebt. Letztendlich wählt das Ministerium aus einer Vorschlagsliste mit drei KandidatInnen aus. Das Verfahren sichert den Einfluss bestimmter Institutionen. Neue Ideen und alternative Forschungs- und Lehrinhalte und ein breites disziplinäres und interdisziplinäres Spektrum jenseits von mehr Effizienz, mehr Wirtschaftlichkeit und mehr Marktradikalismus werden so den Weg an die Hochschulen nicht finden. Aber gerade das ist für den Wandel der Hochschulen von immenser Bedeutung, wenn man Bildung noch als gesellschaftliches Gut betrachtet.

Deswegen ist es jetzt Aufgabe der Politik, eine ganz neue Personal- und Dienstrechtsreform zu entwickeln, die die Hierarchien in der Hochschule aufbricht. Der Berufungsprozess muss alle in der Hochschule engagierten und beschäftigten Gruppen gleichberechtigt mit einbeziehen und so demokratisiert werden. Der wissenschaftliche Nachwuchs darf nicht in Abhängigkeit von ProfessorInnen gehalten werden. Gesicherte Verhältnisse müssen geschaffen werden, die den Lebensrealitäten und Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Die willkürliche Hierarchisierung und Einteilung in C 3- und C 4-Professuren muss ebenso abgeschafft werden wie die Habilitation als Voraussetzung für eine Berufung.

Höchste Priorität muss auch die aktive Frauenförderung haben. Gerade zu einem solchen Zeitpunkt wird sich zeigen, wie ernst es Politik und beteiligte Institutionen mit Gleichberechtigung meinen. Wir sind in der wohl einmaligen Situation den katastrophal niedrigen Anteil an Professorinnen gravierend und längerfristig erhöhen zu können. Diese Chance muss ergriffen werden, damit sich der Männerbund Hochschule verändert. Und damit ein Signal gesetzt wird auf dem Weg zu einer anderen, gleichberechtigten, alternativen Hochschule. Kerry Sailer

Der Autor ist Mitglied des Vorstandes des „freien zusammenschluß von studentInnenschaften fzs“ in Bonn

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