Generationendebatte unter Feministinnen: Von Frau zu Frau
Der Schlagabtausch zwischen Alice Schwarzer und den "Alphamädchen" kommt nicht aus ohne Beleidigungen - doch hinter ihm stecken ernsthafte Fragen.
So ein symbolischer Muttermord hat seine Tücken. Vor allem, wenn die Mutter Alice Schwarzer heißt. Die nämlich ist trotz diverser Mordanschläge quicklebendig und haut nach Kräften zurück. Nun bekommen also die Alphamädchen Dresche, die sich zumeist in irgendeiner Form von Schwarzer abgegrenzt haben: Als der derart Gekränkten vergangenen Sonntag der Börne-Preis verleihen wurde, legte sie in ihrer Dankesrede los: Die "späten Mädchen" einer "medial lancierten Girlie-Welle" trügen zur "Verluderung des Feminismus" bei, weil sie für "Fair Trade Puffs" und Pornografie seien und nur noch "Wellness-Feminismus" zustande brächten. Sie stellte klar: "Ich habe nicht die geringste Absicht, diese Art neudeutscher Mädchen zu vertreten."
Und die Töchter: schreiben zurück. Zum Teil wiederum beleidigt und beleidigend. So berufen sich die Autorinnen der "Neuen deutschen Mädchen", Jana Hensel und Elisabeth Räther (auf sueddeutsche.de) auf einen saublöden Vergleich Harald Schmidts: Mit Schwarzer sei es wie mit Beckenbauer: "Wir werden nie vergessen, dass sie den Feminismus nach Deutschland geholt hat, aber aus dem Tagesgeschäft soll sie sich bitte heraushalten." Da haben wir ihn, den symbolischen Muttermord. Pikanterweise vorexerziert von einem Mann.
Die Autorinnen von "Wir Alphamädchen" dagegen versuchen in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Mai zu argumentieren: Feminismus heute heiße eben auch Pornorap von Lady Bitch Ray, Feuchtgebietsexkursionen von Charlotte Roche und ja, auch Wellness-Feminismus: Schließlich wollten sie sich wohl fühlen in der Gesellschaft. Wofür die Mädchen am Donnerstag ebenfalls in der SZ gleich wieder eins auf den Deckel bekamen, diesmal von einer Generationsgenossin: Das sei kein ordentlicher Feminismus.
So weit, so anstrengend. Doch hinter dem leicht idiotisch anmutenden Streit, wer die richtigere Feministin ist, stecken ernsthafte Themen, die mit Generationen nur bedingt zu tun haben: Schwarzer ist immer Radikalfeministin geblieben, in der Tradition von Kate Millett, Catherine MacKinnon und Andrea Dworkin. Für die ist männliche Gewalt das Konstituens unserer Gesellschaft, quasi überhistorisch und ubiquitär. In dieser Lesart sind Frauen per se immer die Opfer. Das aber ist eine Auffassung, die auch viele Feministinnen aus Schwarzers Generation schon lange kritisieren.
Für die nachfolgenden Generation ist sie noch weniger nachvollziehbar, weil diese schon einige Siege im Geschlechterkampf erlebt haben. Sie fragen also eher pragmatisch, was zu tun bleibt. Das Tremolo des ewigen Opfers ist verschwunden, weil die Opfer sich in vielen Lebenslagen ganz gut helfen können. Sie definieren sich nun einen neuen Feminismus zurecht. So what?, möchte man sagen: Es ist schließlich noch genug Patriarchat für alle da.
Dass sich diese Differenzen nun teilweise als Generationenkonflikt arrangieren, muss tatsächlich auch etwas mit einem symbolischen Muttermord zu tun haben, einem verschärften Abgrenzungsbedürfnis gegen die Müttergeneration. Was einen bei diesen Ritualen à la Hensel allerdings schaudern lässt, ist die Ignoranz, mit der patriarchale Klischees über die alte Frauenbewegung übernommen werden. An solchen Stellen wird deutlich: Da konkurrieren eben auch junge Frauen gegen ältere - im Bewusstsein, dass der sexy Jugend eben die Aufmerksamkeit des männlichen Blicks sicher ist.
Interessant daran: Nun werden also auch unter Frauenhorden Muttermorde begangen, so wie in Männerhorden schon immer Vatermorde betrieben wurden. Und doch bleibt der Muttermord sehr viel tückischer. Ein Muttermord im Patriarchat kennt immer einen lachenden Dritten: Männer. Der Ödipus-Komplex lässt sich nicht einfach umdrehen: Ödipus tötet den Vater, um die Mutter zu bekommen. Alphagirls, die ihre Mutter töten, stehen dann mit dem Papa allein da. Wenn den Muttermörderinnen am Ende nur noch Harald Schmidt bleibt, dann werden sie ganz schön nach der Mama weinen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen