: Generalstreik legt Griechenland lahm
■ Gewerkschaften protestierten gegen Mitsotakis‘ konservative Sparpolitik
Athen (taz/ap) - Ein Generalstreik hat das öffentliche Leben in Griechenland gestern weitgehend lahmgelegt. In Athen und Saloniki, der zweitgrößten Stadt des Landes, blieben die meisten Geschäfte geschlossen. Auf den Flughäfen warteten Tausende Urlauber bei Temperaturen von 40 Grad schwitzend auf ihre Flüge, da auch die Beschäftigten der Fluggesellschaft Olympic Airways für drei Stunden die Arbeit niederlegten. An dem Ausstand, der sich gegen die Finanz und Wirtschaftspolitik der Regierung von Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis richtete, beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaften rund zwei Millionen ArbeiterInnen und Angestellte.
Während er im Land nur über die hauchdünne Mehrheit einer Stimme im Parlament verfügt und gestern bereits mit dem vierten Generalstreik seit seiner Amtsübernahme Anfang April konfrontiert war, erhält der konservative Premierminister Konstantinos Mitsotakis außenpolitisch Rückendeckung für seine Sparpolitik. Noch beim jüngsten Gipfel in Dublin versprachen die elf Regierungschefs der übrigen EG -Mitgliedsländer ihrem Amtskollegen, alles Nötige zu tun, „um die erfolgreiche Neustrukturierung der griechischen Wirtschaft zu gewährleisten“. Griechenland, das ärmste Gemeinschaftsland, soll die Unterstützung in Form eines Zwei -Milliarden-Dollar-Kredites jedoch nur erhalten, wenn es sich nach den Vorgaben aus Brüssel richtet. Bereits im März forderte EG-Kommissionspräsident Jacques Delors die damalige Allparteienregierung in Athen ultimativ zur „sofortigen Einführung eines mehrjährigen Stabilisierungsprogrammes“ auf.
Die triste Situation bei den Staatsfinanzen entstand zu einem guten Teil während der acht Jahre sozialistischer PASOK-Regierung. Die auf wohlfahrtsstaatliche Ziele ausgerichtete Politik konnte nur mit immer neuen Krediten finanziert werden. Der Produktionsbereich wurde dabei vernachlässigt und ein Modernisierungsschub, der Griechenland näher an die hochindustrialisierten EG-Staaten herangeführt hätte, blieb aus.
Akut verschlechterte sich die Lage noch 1989: Wegen der ständig schwelenden Wahlkampfsituation und während zweier kurzfristiger Koalitionsregierungen ohne breite programmatische Basis wurde in Athen die Wirtschafts- und Finanzpolitik zu einer vernachlässigbaren Größe.
Jetzt nähert sich der Kreditbedarf des Staates 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Inflationsrate wird in den Sommermonaten voraussichtlich 23 Prozent erreichen. Bei fast allen Basisdaten der wirtschaftlichen Entwicklung (Pro-Kopf -Einkommen, Produktivität, Industrieproduktion) liegt Griechenland weit hinter den anderen EG-Staaten.
Bereits Anfang Juni reagierte der griechische Gewerkschaftsverband (GSEE) mit einem Generalstreik auf die konservative Sparpolitik.
rosta
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