General Motors spart an langen Beinen: Eine neue Modellpolitik
Bei der Präsentation seiner neuen Autos verzichtet GM auf langbeinige Models. Jetzt müssen die Arbeiter ran. Das ist billiger. Aber auch ganz schön schäbig.
Kurz nach dem langen US-Wahlkampf ist das Bild eigenartig vertraut: ein Spalier jubelnder Menschen hinter einem dicken Absperrungsband, die seltsam beflügelt an der Kamera vorbeischauen und Plakate mit Forderungen hochhalten. Nur, dass sich in diesem Fall nicht das elektrisierte Wahlvolk zusammengetan hat, sondern General-Motors-Mitarbeiter, die langsam vorbeirollenden Autos ihren leidenschaftlichen Beifall entgegenbringen.
Eine ansehnliche, man möchte meinen: sorgfältig ausgesuchte Masse bildete am Sonntag die lautstarke Kulisse auf der zurzeit laufenden North American International Auto Show, besser bekannt als Detroit Auto Show. Vom 11. bis zum 25. Januar 2009 werden auf der unter der Hand auch "Totenmesse" genannten Ausstellung in der Cabo Hall neue Modelle diverser Hersteller präsentiert. Bei General Motors sind es 17, darunter auch der Hoffnungsträger, der Chevrolet Volt, ein Elektroauto.
Sonst sah man an dieser Stelle eher langbeinige Models an Autos vorbei und um Autos herum staksen. Nun aber sollen die Arbeiter ein Signal setzen, nicht an die sowieso wenigen Kunden, sondern an die Politiker in der Hauptstadt: Bei General Motors arbeiten, überraschend, Menschen. Und die wollen jetzt alle mitmachen bei der tollen Wende. Weg von der riesigen Spritsau, hin zum tollen Ökomobil.
Es ist einer der seltenen Momente, in denen man sich als Zuschauer dann doch die spärlich bekleideten, accessoirehaften Mädchen zurückwünscht. Natürlich erfüllen auch sie eine Funktion in einem Macho-Weltbild. Die etwa hundert Arbeiter an dieser Stelle aber erfüllen eine noch zweifelhaftere Funktion, sie werden als Klatschvieh missbraucht. Wer sich im Wahlkampf auf mit einem zum Wechsel, zum "Change" aufrufenden Plakat zu einer Masse zusammenfindet, wer Unterschriften sammelt, sich einer, seiner Meinung nach guten Sache verschreibt, und sei sie nur, die Republikaner im Amt zu halten, tut dies freiwillig.
Es ist jedoch zu bezweifeln, dass die nun vorgeführten GM-Angestellten genauso freiwillig angerückt sind und ihre sauber gedruckten "Game Change"-Hochglanzpappschilder in die Messeluft halten - immerhin müssen sie um ihren Arbeitsplatz fürchten. Nicht auszuschließen also, dass einer, der jetzt noch jubelt, demnächst zu Tode betrübt sein wird. Angeblich werden nämlich bei General Motors 31.000 Mitarbeiter gehen müssen.
Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die Aufstellung der Angestellten schäbig, sondern auch der Gebrauch der Wahlkampfoptik hochgradig suspekt. Wird doch hiermit verschleiert, dass hier eine ganz andere Schlacht geführt wird: kein Wahl-, sondern ein von oben verordneter Arbeitskampf. Von der PR-Abteilung erdacht, von der Firmenleitung abgesegnet, als fröhliche Kulisse für Fotografen und Kameras. Die Plakate werden auch noch in die Höhe gehalten, während der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von General Motors, Bob Lutz, den "Tagesthemen" ein Interview gibt, in denen er versucht, die Hoffnungen auf eine rasche Erholung zu dämpfen.
Bezeichnend für den Ansehensverlust der Chefs des Unternehmens ist, dass sie sich anscheinend nicht mehr ohne die Unterstützung der Mitarbeiter auf die große Bühne trauen. Wie anders muss man das auf der Messe gebotene Spektakel auslegen? So verkaufte GM im Jahr 2008 so wenig Autos wie zuletzt vor 50 Jahren. Ohne die Milliardenhilfe der US-Regierung - 13,4 Milliarden Dollar wurden als Kredit zugesagt - wäre das Unternehmen längst bankrott. GM soll nun durch Innovationen zeigen, dass die äußerst hohe Summe gut angelegt ist.
Doch gelten die nun vorgestellten Elektro- und Hybridautos als wirkliche Innovation, die die Firma wieder auf den richtigen, weil profitablen Kurs bringen? Wohl kaum, denn nicht nur der Absatz der dicken Wagen mit hohem Verbrauch bricht in den USA ein, sondern auch der von Hybridautos. Wenn die Mitarbeiter also den neuen Modellen zujubeln, steht ihnen, sofern sie wirklich Hoffnung im Herzen tragen, eine bittere Enttäuschung bevor.
Vor der Cabo Hall in Detroit waren, wie der Nachrichtensender CNN zeigte, trotz der Kälte ebenfalls Mitarbeiter diverser US-Autobauer zusammengekommen. Zwar waren weniger als innen versammelt - etwa 50 -, doch anders als der frenetische Modellersatz dort waren die draußen authentisch und, was noch wichtiger ist, ernsthaft besorgt. Sie protestierten gegen Lohnkürzungen und Stellenabbau in ihren Betrieben. Mit frostroten Nasen und bunten, selbstbemalten Plakaten.
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