Gender oder nicht: „DJane sagt man nicht“
Marga Glanz führt seit zehn Jahren den HipHop-Plattenladen Groove City in Hamburg. Rappende Frauen, findet sie, sollten selbstverständlich sein.
taz: Frau Glanz, Sie verkaufen überwiegend HipHop-Platten – kommen aber aus dem Punk, richtig?
Marga Glanz: Ja, wie wir alle eigentlich – das ist eine Generationenfrage. Ich bin in den 1970ern musikalisch sozialisiert worden. Also mit Rock, im weitesten Sinne: Mit Janis Joplin, mit Jimi Hendrix. Und dann kam Punk, ganz klar. Mitte der 80er hab ich bei dem Plattenladen Zardoz gearbeitet, da entwickelten sich gerade die ersten Hamburger Labels und es gründeten sich Hamburger Bands. Als ich 1994 bei Groove City anfing, verschob sich mein Schwerpunkt zu HipHop. Heute liegt er mehr auf Soul. Aber wir haben ja auch Jazz, afrikanische, türkische und persische Musik, Reggae natürlich auch …
Was hat Sie zum HipHop gebracht?
Das war eine politische Einstellung. Es war ja in den 80ern, wir waren natürlich alle links – und dann ging es los mit der Besetzung der Hafenstraße, mit dem freien Radio, und dazu gehörte auch das Interesse an schwarzen Bürgerrechtsbewegungen und HipHop. Mit meinem damaligen Freund bin ich so um 1990 nach L. A. gefahren, nach Compton.
Das neben der New Yorker Bronx als Wiege des HipHop galt.
Da waren wir dann auf einmal die zwei verschreckten weißen Hasen, die in den armen Vierteln ganz schnell die Scheiben hochgekurbelt haben. Eigentlich wollten wir denen nur sagen „Ey, wir finden eure Musik echt super!“ – das hat nicht so geklappt. Aber wir haben dann angefangen, die ganzen Platten mit hierher zu schleppen. Das waren Künstler wie Public Enemy, und dann die etwas netteren Varianten wie De La Soul oder Arrested Development. MC Lyte fand ich auch voll gut, das war ja eine der ersten großen Rapperinnen. Queen Latifah dann auch …
Haben Sie viele Female-Rap-Platten?
Hätte ich, wenn es viele gäbe.
56, ist eigentlich gelernte Arzthelferin und seit den 80ern in der Musikbranche. 1985 fing sie im Plattenladen Zardoz an und leitete die Filiale in Hamburg-Altona. 1994 stieg sie bei Groove City ein, übernahm den Laden 2005 und ist heute die einzige Plattenladenbesitzerin Deutschlands.
Na ja, es gibt ja schon viele Rapperinnen.
Ja, das stimmt. Das Problem ist aber, dass ich sie auf Vinyl brauche. Das macht es für die Neuen schwierig, da kommt ja alles auf MP3 raus. Ich habe auch kein extra Fach für Female-Rap, weil ich nicht so ein trauriges kleines Fach sehen möchte.
Und weil es auch keine Sonder-Abteilung sein soll?
Genau. Die Female-Rap-Platten sind einfach so dazwischen, da wo sie hingehören. Es sollte selbstverständlich sein, dass Frauen dabei sind.
Warum erscheinen Frauen denn nicht so oft auf Vinyl?
Meistens sind es ja amerikanische Rapperinnen, da weiß ich nicht so genau, wie die Produktionsbedingungen sind. Aber ich glaube, es liegt auch daran, dass sich der amerikanische HipHop noch nicht ganz von der Bling-Bling-Phase der späten 2000er erholt hat. Das kommt jetzt erst langsam wieder.
Und in der Bling-Bling-Phase war kein Platz für Frauen?
Da war eigentlich kein Platz für gar nichts. Höchstens für dicke Ärsche und komische Autos. Wenn du da als Rapper nicht 50 Millionen Platten verkauft hast, warst du nicht interessant für die Labels.
Sind diese Zeiten vorbei? Ist Female-Rap mittlerweile ein aufstrebendes Genre?
Ich würde denken, dass das jetzt mal wieder losgeht. Allerdings kann man ja auch hinterfragen, ob das eine Berechtigung hat, oder ob man nicht sagen muss: „Es gibt nur gute und schlechte Musik.“ Das wäre dann geschlechtsneutral.
Und?
Also wenn jemand links ist, aber ich seine Musik scheiße finde, verkaufe ich sie jedenfalls auch nicht. Aber bei Female-MCs ist es so, dass die Frauen, die es geschafft haben, eine Platte rauszubringen, dann meistens auch gut sind – wenn man so weit gekommen ist, muss es eine gewisse Qualität haben. Aber ich würde mir einfach wünschen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass Frauen aufgelegt werden.
Sie sind ja auch DJane.
DJane sagt man nicht. Das klingt so nach „Ich Tarzan, du Jane“, das geht nicht.
Okay. Also: Sie sind ja auch DJ.
Nicht mehr. Ich bin jetzt in DJ-Rente. Wobei ich natürlich keine Rente kriege. Aber ich bin einfach zu früh müde. So gegen ein, zwei Uhr nachts will ich schon nach Hause. Aber da kommen die Leute ja erst in den Club. Und wenn ich dann vom DJ-Pult runtergucke, und die könnten alle meine Kinder sein – nee. Außerdem kann ich auch nicht tagsüber im Laden stehen und nachts auflegen, dann hätte ich 24-Stunden-Tage. Aber hin und wieder hab ich schon noch Lust.
Wo haben Sie denn angefangen aufzulegen?
Im „Tempelhof“. Das war so 1996, ich hab Soul aufgelegt, später dann auch Drum’n’Bass und House. Da haben wir eine Frauen-DJ-Truppe gegründet.
War das eine politische Sache?
Nee, und es hat auch nicht lange funktioniert. Sowas funktioniert auch nicht, wenn nur das Geschlecht die Grundlage ist. Aber es war damals ziemlich ungewöhnlich. Jede Frau, die auflegt, macht irgendwann die Erfahrung, dass ein Typ ankommt und sagt „Darf ich mal?“, oder „Sind das die Platten von deinem Freund?“ Da war es gut, sich zu vernetzen und als Gruppe präsent zu sein. Eine Zeitlang waren wir auch erfolgreich, sind auf Tour gegangen und hatten über lange Zeit einen regulären Termin im Pudel Club in Hamburg. Aber ich glaube, mittlerweile ist es viel normaler geworden, dass Frauen auflegen.
Wollten Sie schon immer in der Branche arbeiten?
Nee, da bin ich zufällig reingeraten als ich nach Hamburg kam. Ich bin im Wendland aufgewachsen, aber mit 17 bin ich da weg. Während der Kindheit ist das ein guter Ort, da gibt’s große Wälder und wir hatten ein großes Grundstück, aber sobald du Teenager bist, wird’s da schlimm. In Hamburg hab ich jemanden kennengelernt, der Geld in Zardoz investiert hat. So bin ich da reingeraten. Dann hab ich ja auch mal kurz bei ’nem Label gearbeitet …
… bei Yo Mama, wo damals Ferris MC, Fünf Sterne Deluxe, Dendemann und Das Bo unter Vertrag waren.
Aber irgendwann hab ich gemerkt, dass ich gar nichts mehr mit der Musik zu tun hatte, nur noch mit den Produkten. Das war als Erfahrung okay, aber dann hat’s gereicht.
Seit 2004 führen Sie als einzige Frau Deutschlands einen Plattenladen.
Das hab ich nie recherchiert, ob ich die einzige bin. Ich glaub das aber eigentlich nicht. Meine Weiblichkeit heutzutage noch als Alleinstellungsmerkmal in der Branche zu sehen, ist halt auch trist. Ich fühle mich immer als Quotenfrau.
Und wer kauft bei Ihnen ein? Kaufen auch junge Leute noch Platten?
Ja, auch wenn ich das nicht gedacht hätte. Als ich den Laden 2004 übernommen hab, war die Musikszene auf dem Höhepunkt ihrer Krise. Damals dachte ich, ich mach das jetzt zehn Jahre und dann geh ich mit meinen Kunden in Rente. Aber so war das nicht – es verändert sich was und es kommen auch Jungs und Mädchen zu mir. Die sind zwar mit MP3 groß geworden, aber die wollen was anderes, was Haptisches. Klar kann man sich 50.000 Wochen Musik im Internet runterladen, aber das kann halt auch jeder. Hier kommen sie her, gucken sich um, hören sich Sachen an – und sind auch bereit, Geld auszugeben.
Und was kaufen die Jugendlichen heute so?
Die kaufen natürlich andere Sachen, als wir damals gehört haben. Heute sind es andere Themen, andere Beats. Aber zum Beispiel Haftbefehl finde ich ja theoretisch gut. Praktisch bin ich zu alt dafür. Aber Haftbefehl und Zugezogen Maskulin sind so Sachen, die ich hier haben will und auch verkaufe. Was ich nicht verkaufe, sind diese Aggro-Berlin-Sachen: Fler und so gehen mir auf den Geist, die können mir gestohlen bleiben.
Was hören Sie denn gerade am liebsten?
Meine Lieblingsplatte ist von Ibeyi, das läuft unter World Music, was ich ja einen total bescheuerten Begriff finde. Das ist so afrikanischer Gesang auf elektronischer Musik, echt schön. Aber generell will ich mich nicht so festlegen. Mit meinem Laden habe ich mir meine musikalische Welt geschaffen. Das ist das schöne an so einem Laden, mit dem man zwar nicht so viel Geld verdienen kann – aber alles was hier ist, ist hier, weil ich es so will.
Laut der Groove-City-Homepage zeichnet sich der Laden durch seine Mischung aus Geschmack, fairen Preisen und Sturheit aus.
Na ja, wir vertreten einen gewissen Geschmack und an dem halten wir auch fest. Die Leute sollen reinkommen und wissen: „Wenn ich wahllos hier reingreife, habe ich wahrscheinlich irgendwas, was ich gut finde.“ Wir führen auch zu 90 Prozent Indie-Labels, einfach weil das, was die Majors machen, zum Großteil überflüssig ist. Wenn es die kleinen Labels nicht geben würde, wäre die Szene tot.
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