Gemeinschaftsschulen: Mehr statt weniger Arbeit

Kieler Bildungsministerium lässt Gesamtschul- und Gymnasiumslehrer länger unterrichten. Real- und Hauptschullehrer sollen auf Entlastung verzichten. Zusammenhang mit Wiedereinführung des G9 bestehe nicht. GEW droht Streik an.

Haben künftig weniger Zeit für den Cyberspace: Lehrkräfte in Schleswig-Holstein. Bild: dpa

Da wird mancher Lehrer enttäuscht sein. Noch bis zu den Osterferien ging man davon aus, dass die Lehrer an Schleswig-Holsteins neuen Gemeinschaftsschulen ab Sommer nur noch einheitlich 26 Stunden die Woche unterrichten. Daraus wird nichts. FDP-Bildungsminister Ekkehard Klug zog den neuen Erlass Ende März zurück. Die Ermäßigung, hieß es aus Koalitionskreisen, hätte 300 Stellen gekostet. Das sei angesichts der Haushaltslage nicht bezahlbar. Anfang dieser Woche kam Klug dann mit einer Kampfansage auf seine Lehrer zu: mehr statt weniger Arbeit.

Am härtesten trifft es die bisherigen Gesamtschullehrer. Sie sollen, sofern sie in der Unter- und Mittelstufe unterrichten, künftig 27 statt bisher 25,5 Stunden pro Woche unterrichten, sprich anderthalb Stunden mehr. Es folgen die Lehrer an Gymnasien und Berufsschulen: statt 24,5 Stunden sollen sie 25,5 Stunden vor der Klasse stehen. Und alle Lehrer an den neuen Gemeinschafts- und Regionalschulen sollen einheitlich 27 Stunden unterrichten. Für Realschullehrer bleibt es damit beim Alten. Den Hauptschullehrern, die bisher 27,5 Stunden geben müssen, werden 0,5 Stunden erlassen.

Nicht viel. Dabei haben sie nicht unbedingt den leichtesten Job. Doch wenn Hauptschul-, Realschul- und Gymnasiallehrer an einer Schulform arbeiten, wäre es ungerecht, sie unterschiedlich zu belasten. Deshalb hatte Klugs Vorgängerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) 2007 die 26-Stunden-Regel zugesichert.

Dieser Erlass sei "vom Personalrat nicht mitgetragen" worden, sagt nun Klugs Sprecher Thomas Schunck. "Es gab die Verpflichtung, einen neuen Erlass zu erdenken." Dabei habe man die alte Regelung mit 17 Varianten "vereinfacht". Schunck nennt noch keine Zahlen, wie viele Lehrerstellen dies einsparen soll. Nach Berichten des Schleswig-Holsteinischen-Zeitungsverlags rechnet das Ministerium mit 587 Stellen Ersparnis, von denen als Trost 142 Lehrerstellen in die Ausweitung der Altersermäßigung fließen sollen.

"Die FDP hat im Wahlkampf versprochen, dass im Bildungsbereich nicht gespart wird", moniert GEW-Sprecher Bernd Schauer. Nun würden die Lehrer mehr belastet, obwohl ihnen in den vergangen Jahren schon immer mehr Aufgaben aufgebürdet wurden. Schauer: "Das hat Folgen für die Kinder. Ein Lehrer, der zu viel zu tun hat, macht schlechteren Unterricht." Laut einer Umfrage fühlten sich 96 Prozent der Lehrer stark belastet. Man überlege einen Streik und werde dazu die Mitglieder befragen. Dass das geht, hatte die Hamburger GEW im Herbst 2009 vorgeführt. Rund 4.000 KollegInnen legten für Altersermäßigung die Arbeit nieder.

Für Schauer und auch für die Grüne Anke Erdmann ist klar, dass Klug die Stellen braucht, um die im Wahlkampf versprochene Wiedereinführung des neunjährigen Abiturs (G9) zu realisieren. Ab 2011 dürfen Schulen wählen und das Abitur in sowohl acht als auch in neun Jahren anbieten. "Dieses komplizierte Modell wird 350 Lehrerstellen kosten", sagt Erdmann. Das gehe aus internen Unterlagen hervor. "Nun ist auch klar, wie Minister Klug das finanzieren will." Eine Parallelstruktur sei teuerer, sagt auch Schauer. "Wir sagen deshalb: entweder G8 oder G9."

"Es ist falsch, dass wir die Stellen brauchen, um G9 zu ermöglichen", hält Schunck dagegen. Die Notwendigkeit ergebe sich aus der Haushaltslage: "Es geht darum, das Unterrichtsangebot qualitativ zu erhalten."

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