: Gemein! Wir besiegen Mädchen
Wenn‘s mal wieder länger dauert: Deutschland gewinnt 1:0 gegen Polen dank Odonkor und Neuville in der Nachspielzeit
aus DORTMUND MARKUS VÖLKER
Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat den Sieg eingewechselt: Erst in der Nachspielzeit besiegte die DFB-Auswahl gestern Abend Polen mit 1:0. Schütze des entscheidenden Tores war Oliver Neuville auf Vorlage von David Odonkor. Beide waren erst spät ins Spiel gekommen. „Wir haben immer daran geglaubt“, sagte Klose nach dem Spiel, „man muss Geduld haben und letztendlich geht er rein“. Vor dem Spiel war es in der Dortmunder Innenstadt zu Ausschreitungen zwischen deutschen Randalierern und der Polizei gekommen. Mindestens 120 Hooligans wurden festgenommen.
Das deutsche Team hatte Martialisches von den Polen erwartet nach deren Auftaktniederlage gegen Ecuador (0:2). „Die werden mit dem Messer zwischen den Zähnen auf uns losgehen“, befürchtete der gebürtige Pole Miroslav Klose. Sagen wir es so: Die Polen waren bissig in den Zweikämpfen, kaum wiederzuerkennen im Vergleich zum Auftakt und langten mitunter schon mal ziemlich hin. Und hatten die erste Chance durch Maciej Zurawski (9.).
Polens Trainer Pawel Janas hatte sein Team umgebaut: Mit Bartusz Bosacki für Mariusz Jop in der Abwehrreihe und Ireneusz Jelen für den eigentlichen Spielmacher Miroslaw Szymkowiak brachte er zwei neue Leute. Janas reagierte auf die heftige Kritik der polnischen Medien an der schwachen Leistung gegen Ecuador (“Janas Mädchen“) mit einer offensiveren Variante.
„Positiv aggressiv“ wollte eigentlich Deutschlands Nationaltrainer Jürgen Klinsmann sein Team sehen. Zumal der Bremer Tim Borowski wie erwartet für den von seiner Wadenverletzung wieder völlig genesenen Kapitän Michael Ballack weichen musste (siehe Bericht unten). Doch sein Team hatte Schwierigkeiten mit einer geordneten Spielentwicklung. Auch wenn sie zu zwei guten Chancen kamen: mal wieder durch Miroslav Klose, den Zweifachtorschützen aus dem Eröffnungsspiel. Zunächst bediente ihn Ballack, doch sein Schuss war für Polens Torhüter Artur Boruc kein Problem (10.). Chancenlos wäre er bei einem Kopfball gewesen, den Klose nach einer Flanke von Philipp Lahm unbedrängt aus sieben Metern neben das Tor setzte (21.).
Der Angriff diesmal nicht effizient, dafür die Abwehr stabil? Sie wirkten konzentrierter im unveränderten Abwehrverbund, den Klinsmann nicht verändert hat, auch wenn es an Rechtsverteidiger Arne Friedrich doch harsche Kritik nach dem Spiel gegen Costa Rica gab. Allerdings war es erneut so, dass in der Offensivbewegung von Lahm (links) bedeutend mehr kam als von Friedrich (rechts). Und die Vier-Tore-Offensive? Sie blieben torlos in der ersten Halbzeit. Auch wenn die Angriffe kontrollierter und zielstrebiger als die der Polen waren, sobald die Deutschen in Strafraumnähe kamen.
Die Deutschen dominierten auch in der zweiten Halbzeit. Waren aber nicht zwingend. Zu viele Fehlpässe auf die Spitzen Klose und Podolski unterbrachen die Offensivaktionen. Klose immerhin bekam zwei Chancen: Eine Flanke von Schneider verfehlte er nur knapp mit dem Kopf (51.), ein Schuss nach einem abgeprallten Freistoß von Torsten Frings war zu unplatziert (64.). Klinsmann reagierte auf die Schwäche der rechten Seite: Für den zu zaghaften Friedrich brachte er den eigentlichen Konterspieler David Odonkor als dritte Spitze, der nun rechts vor Bernd Schneider agierte. Und? Zumindest war das Flügelspiel nicht mehr so erwartbar linkslastig.
Und die Polen? Offensiv nicht mehr vorhanden, zudem ab der 75. Minute dezimiert: Radoslaw Sobolewski sah nach wiederholtem Foulspiel Gelb-Rot. Die Polen standen fortan nur noch hinten drin. Und die Deutschen hatten Chancen – vor allem in der 89. Minute: Erst landete ein Klose-Kopfball an der Latte, den Abpraller schoss Ballack an die Latte. Und dann – die Nachspielzeit: Neuville drückte einen Odonokor-Pass völlig verdient zum Siegtreffer ein (9. + 1).
Die Polen sind damit ohne Punkt fast aus dem Rennen um das Achtelfinale. Die Deutschen spielen am kommenden Dienstag gegen Ecuador (heute gegen Costa Rica) wohl um den Gruppensieg.
Sie hätten es ja auch vorher wissen können: Noch nie hat ein DFB-Team gegen Polen verloren (bisher: zehn Siege und vier Unentschieden). Und noch nie hat ein DFB-Team in Dortmund verloren (bisher: 12 Siege in 13 Spielen). Aber manchmal weiß man das eben erst nach 91 Minuten.