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Gelungene Zufälle

■ Mit Cage/Satie zum Regie-Diplom

Wer ungewöhnliche Vertonungen mag, wird an der Diplom-Inszenierung der Bühnenwerke „Europera 5“ von John Cage und „Socrate“ von Eric Satie des Musiktheaterregie-Studenten Hans-Jörg Kapp seine Freude haben. Die Kombination ist wohlbedacht: 1963, 38 Jahre nach Saties Tod, brachte John Cage, der Satie „unersetzlich“ nannte, seine „Vexations“ zur Uraufführung. Cages Spätwerk „Europera 5“ entstand 1991 und ist als deutsche Erstinszenierung nun im Institut für Musiktheaterregie in den Zeisehallen zu hören.

Cage, der nie in die Oper ging, wollte mit „Europera 5“ (zusammengesetzt aus „Europa“ und „Oper“) eine Collage aus „pulverisierten“ europäischen Opern anfertigen. Das zum Teil streng durchkonzipierte Werk läßt den Akteuren auch Freiheiten. Streng ist die Zeiteinteilung: Zwei Sänger singen zu exakt vorgeschriebener Zeit Arien, ebenso exakt werden Opern-Klavierauszüge gespielt, Schallplatten abgespielt, ein von Cage angefertigtes Tonband, ein Radio und ein Fernseher an- und ausgeschaltet. Die Aufführung dauert exakt 60 Minuten - die Zeit zeigt ein Monitor an. Völlige Freiheit haben die Akteure in der Auswahl ihrer Arien oder Bühnenaktionen, welche Kapp im Cageschen Sinne von Zufallsoperationen gestalten wollte. Das Los bestimmt vor der Vorstellung, welche der einstudierten Arien gesungen werden, auch aus den Bühnenaktionen wählen die Sänger instinktiv aus, was sie verwenden: Jede Aufführung ist anders. Doch ist die ernste Grundstimmung vermutlich von Cage so nicht gemeint. Weniger spektakulär ist die Inszenierung von Eric Saties „Sokrate“. Das Besondere an diesem Werk ist, daß es den Wort-Ton-Zusammenhang ignoriert. Die Musik unterstreicht die Dramaturgie des Platon-Textes über Sokrates nicht, sie distanziert sich geradezu vom Text. Wenn man aber weder von Saties Absichten weiß, noch den französischen Text versteht, würde man von der subtilen Distanzierung kaum etwas merken: Dann könnte man nur noch die impressionistische Musik und das hervorragende Bühnenbild und die Kostüme genießen und den makellosen Gesang der Taiwanerin Pei-Lin Liao.

Erhan Sanri

noch am 22., 23., 24.10., 21Uhr

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