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Geldof wirbt für EntwicklungshilfeAuf Tour für die Armen

Live-Aid-Gründer Bob Geldof besucht Berlin, um für Unterstützung der armen Länder zu werben. Deutschlands Hilfszahlungen sind seit Jahren am Stagnieren.

Makler und Mahner für die afrikanische Sache: Der Sänger Bob Geldof. Bild: dpa

BERLIN taz | Bob Geldof ist verschnupft, als er den Besprechungsraum im vierten Stock des Regent-Hotels betritt, aber der Musiker hat zwischen Husten und Niesen eine Nachricht mit nach Berlin gebracht: "Kanzlerin Merkel hat mindestens sechs Reden gehalten", sagt der Sänger, "in denen sie versprochen hat, die Entwicklungsgelder spürbar zu erhöhen." Nun gehe es um die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung: "Wir brauchen 3 Milliarden Euro zusätzliche Mittel im nächsten Haushalt."

Seit 28 Jahren tritt Geldof als Mahner und Makler für die afrikanische Sache in aller Welt auf - so auch in diesen Tagen. Am Montagabend stand der Besuch der "Cinema for Peace"-Gala auf dem Programm. Geldof ist dort Schirmherr und sammelt Geld für Entwicklungsprojekte. Zudem spricht er mit Regierungsvertretern und -beratern. Denn schließlich sollen die Projekte seiner Vorstellung nach nicht nur durch Charity gefördert werden. Sondern auch durch öffentliche Hilfsgelder.

Wie in vielen anderen europäischen Staaten ist die Steigerung der Entwicklungsgelder in den vergangenen Jahren ins Stocken geraten. Deutschland etwa zahlte im Jahr 2010 0,39 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Wert, der sich auch 2011 kaum verändert hat. Als Ziel wird seit Jahren jedoch 0,7 Prozent ausgegeben. Das jüngste Limit: Bis 2015 soll es so weit sein. Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat sich dazu bekannt. Wenngleich er weiß, dass es zunehmend utopisch wird, bis 2015 tatsächlich noch einen derartigen Sprung zu machen. Zumal schon im kommenden Haushalt die Mittel für Entwicklungshilfe wieder sinken sollen.

Mehrheit für größere Hilfe

Eine Initiative von Fachpolitikern aller Parteien im Bundestag hatte im vergangenen Jahr ausgerechnet, wie groß der zusätzliche Finanzbedarf wäre, um das 0,7-Prozent-Ziel noch zu erreichen. Um 1,2 Milliarden Euro müsste der Entwicklungsetat demnach jedes Jahr anwachsen, damit man 2015 tatsächlich beim Ziel ankommt. Insgesamt 372 Abgeordnete haben die Aktion unterschrieben, es ist die Mehrheit der 620 Abgeordneten. Darunter auch Regierungspolitiker wie Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk.

Trotz der Bemühungen wurde das Ziel nicht erreicht, seit Beginn des Jahres liegt die Initiative auf Eis. Denn das Problem: Die ausgerechneten 1,2 Milliarden jährlich hätten eben nur dann ausgereicht, wenn im laufenden Haushalt die Steigerungen schon enthalten wären. Von 2012 an gerechnet, würde das Geld allerdings schon nicht mehr reichen.

"Der Aufruf hat zwar ein großes Echo ausgelöst", schreiben die Initiatoren, "aber in Bezug auf den Haushalt 2012 nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt." Nun soll der überparteiliche Schulterschluss als moralischer Aufruf stehen bleiben, dass immer noch die Ziele nicht erreicht sind.

Bedarf bei rund 6 Milliarden

Zumindest in den Reihen der Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke machen sich die Fachpolitiker nun Gedanken, wie die Bekenntnisse zu mehr Entwicklungsfinanzierung nun auch Eingang in die Wahlprogramme finden können. Bei Linkspartei und Grünen hatte die gesamte Bundestagsfraktion den Aufruf unterschrieben, bei der SPD waren es 93 Prozent der Abgeordneten.

Nun machen sich die Parteien Gedanken über einen Plan, wie die zurückbleibenden Zahlungen in den Jahren 2013 bis 2017 aufgeholt werden könnten, wenn es zum Regierungswechsel kommen sollte. Es wäre in jedem Fall eine riesige Aufgabe in der kurzen Zeit: Fachpolitiker schätzen den Bedarf auf insgesamt rund 6 Milliarden Euro.

Dennoch wollen viele es zumindest versuchen: "Dass wir geschlossen unterschrieben haben", sagt der Grüne Thilo Hoppe, "sehe ich als eine Selbstverpflichtung an."

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4 Kommentare

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  • W
    Webmarxist

    @sonja

     

    Hat Ghaddafi also die 200 Millionen Dollar durch ehrliche Arbeit verdient, ja? Und nicht etwa dem Volk vorenthalten? Ist heute wieder "Enjoy mass murder day"?

  • S
    sonja

    lieber Webmarxist, nicht unbedingt etwas gegen ihren Artikel grundsätzlich. Aber das Sie ausgerechnet Ghaddafi die Unterschlagung von Entwicklungshilfe-Geldern vorwerfen, ist schon ein bißchen komisch. Haben Sie mal Zahlen, wieviel Entwicklungshilfe Lybien unter Ghaddafi bekommen hat, wenn überhaupt?

     

    Ich glaube, da gibt es ganz andere afrikanische Diktatoren, die bis heute noch von westlichen Regierungen gestützt werden und die Interessen ihrer Bevölkerung sträflich vernachlässigen, Bodenschätze des Landes ausplündern zum eigenen Vorteil, Genozid im eigenen Land an der eigenen Bevölkerung dulden und die kriminellen Aktivitäten der eigenen Armee geflissentlich übersehen. Ja, solche Diktatoren werden vom Westen gestützt, und auch sie finden offensichtlich kein Wort, solches anzuprangern. Nur Ghaddafi, der allgegenwärtige Sündenbock - einfach ein schlechtes Beispiel! Und ein überzeugender Beweis, dass ihr Argument nicht einem wahren Anliegen entspricht, sondern einem bestimmten Dogma.

  • VS
    Volker Seitz

    Entwicklungshilfe in der heutigen Form kommt nicht bei den Ärmsten an.Mit der höheren Moralität des eigenen Standpunktes wird begründet, dass die wohlhabenden Länder eine Verpflichtung haben die Entwicklung der ärmeren Länder voranzubringen. Inzwischen gibt es aber auch zahlreiche Afrikaner die die Verlogenheit der florierenden Hilfsbranche anprangern, die die passive Lebenseinstellung von Bedürftigen und Politikerverdrossenheit fördern. Zahlreiche Organisationen suchen in Afrika ihre Daseinsberechtigung und ihr materielles Auskommen. Haben denn alle die besondere Kompetenz, um den Afrikanern zu helfen sich aus der dauerhaften Abhängigkeit von ausländischem Beistand zu befreien? Der weitverbreitete Paternalismus, also die Neigung, besser als der Betroffene zu wissen was gut für ihn ist, droht die Menschen zu entmündigen. Warum wird den Afrikanern immer wieder eingeredet, dass sie ihre Probleme nicht selbst lösen könnten? Es scheint schwer zu sein, die Menschen ihren eigenen Ideen zu überlassen. Immer nimmt sie jemand bei der Hand. Volker Seitz, Autor "Afrika wird armregiert"

  • W
    Webmarxist

    Wieder so ein Lobbyartikel für die Entwicklungshilfeindustrie. bäh!

    Wann hört das endlich auf, weiß doch mitlerweile Jeder, dass das Geld hauptsächlich von den NGOs und den Diktatoren verprasst wird und bei den Hilfsbedürftigen gar nicht ankommt. Im Gegenteil, die Diktatoren um Mubarak und Ghadafi schaff(t)en des Geld auf Privatkonten ins Ausland und rüsteten ihre Armeen auf.

     

    Jedem Gutmenschenträumer sei das Buch "Dead Aid" von Dambisa Moyo, einer afrikanischen Volkswirtin, empfohlen. Sie klagt den Westen an, mit der Etwicklungshilfe vor allem die Unterentwicklung Afrikas und die brutalen Despoten zu fördern.

    Deshalb reagiert die dt. Bundesregierung richtig. Und Geldorf, der ja vor allem selber sehr gut von den Spenden lebt, machen alles nur schlimmer.