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Geklaute Autos, leere Gesichter

■ Schauspieler stören: Lars Beckers zweiter Film Bunte Hunde bleibt hinter seinem Debüt zurück

Nach zwei Fernsehproduktionen drehte Lars Becker 1992 mit Schattenboxer seinen ersten Kinofilm, und der war ein Versprechen. Jetzt kommt Bunte Hunde, der zweite Film des Hamburger Regisseurs, in die Kinos; und noch immer wird Schattenboxer das Versprechen bleiben. Weder löst Bunte Hunde es ein, noch verspricht der zweite Film selbst Weiteres. Es gibt das Klischee, daß der zweite Film stets viel schwerer zu realisieren ist als das Debüt (das schon schwer genug zu realisieren ist). Bunte Hunde füllt dieses Klischee mit Leben.

Schattenboxer spielte im Hamburger Kriminellenmilieu. Doch der Schauspieler Diego Wallraff (von dem wir später lasen, daß er inzwischen in Hollywood lebt, um dort den Durchbruch zu versuchen) verlieh der Hauptfigur ein spröde-anrührendes Gesicht; und am kriminellsten, so erfuhren wir, war die Polizei. Wie es ist, als Ausländer in Deutschland zu leben, davon gab es im Verlauf der einfachen, gradlinigen Handlung viel zu sehen.

Bei Bunte Hunde schlägt die Handlung Kapriolen. Wieder geht es um Kriminelle, wieder handelt die Geschichte von (die Themen Lars Beckers) Freundschaft, Treue und Verrat. Doch von Gradlinigkeit diesmal keine Spur. Um Autodiebstahl geht es, um Verhaftung, Knastalltag, Ausbruch und Flucht, um die Binnenbeziehungen innerhalb von Männderbünden geht es (die Autodiebe: Peter Lohmeyer, Til Schweiger, Jan-Gregor Kramp) und um die zwei dazugehörigen Frauen (die Freundinnen: Catrin Striebeck, Oana Solomonescu). Und am Ende mündet die Handlung in Entführung (nett inszeniert), Showdown (blaß inszeniert) und Tod (ganz blaß inszeniert).

Man folgt den Windungen und Brüchen, und irgendwann beginnt man sich zu wundern: wie wenig man eigentlich von den Figuren sieht und wie wenig von dem Land, in dem der Film spielt! Was gibt es etwa über die junge, hübsche Kassiererin Mona Arthur zu erfahren, die von der jungen, hübschen Oana Solomonescu gespielt wird? Sie muß wohl romantisch veranlagt sein, denn Hals über Kopf verliebt sie sich in den Gangsterboß. Tatkräftig und unerschrocken muß sie sein, denn sie schmuggelt ihm eine Pistole ins Gefängnis. Und sie muß ein treues Wesen sein, denn sie hält noch zu ihm, als er sie nach kurzer gemeinsamer Flucht (und obligatorischer Liebensszene) längst sitzengelassen hat. Eine Figur, von der Handlung diktiert. Und das Gesicht der Mona Arthur bleibt leer.

Das bezeichnet den Punkt, an dem Bunte Hunde endgültig gegenüber dem Debüt abfällt. Schattenboxer war ein Schauspielerfilm, bei dem die Handlung nicht störte. Bei Bunte Hunde braucht die Geschichte allen Aufwand, sich selbst am Laufen zu halten. Für seine Figuren bleiben nur ausgeklügelt zusammengesetzte Gemeinplätze übrig, auch in dieser Hinsicht füllt der Film die Klischees mit allerdings fadem Leben. Die Schauspieler scheinen hier zu stören.

Schattenboxer aber ist weiterhin der Lars-Becker-Film, an den man sich halten kann. Er bleibt das Versprechen auf den wirklich guten deutschen Kinofilm. Bunte Hunde kann es noch nicht gewesen sein.

Dirk Knipphals

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