siebenmeter : Geklärt ist, dass nichts geklärt ist
Der eingeleitete Neuanfang des finanziell angeschlagenen HSV Handball ist ein Rohrkrepierer. Jetzt muss der Tabellenführer mit Konsequenzen rechnen
Es ist zwei Wochen her, da erklärte Winfried Klimek, Geschäftsführer des wirtschaftlichen Trägers des HSV Handball, der Omni Sport GmbH, seinen Rücktritt. Gerade hatte der HSV sein Heimspiel gegen TuSEM Essen gewonnen, da saß Klimek in den Katakomben der Color Line Arena und erklärte, er habe sich nach ausführlicher Beratung dazu entschlossen, sich aus dem Handballsport zurückzuziehen. Er übertrage alle Geschäftsanteile der Omni Sport einem Treuhänder, dem anwesenden Rechtsanwalt Arnd-Joachim Westphalen. Auf einer Gesellschafterversammlung werde bis zum 20. Oktober eine Satzungsänderung beschlossen und ein Aufsichtsrat berufen, war in Klimeks Presserklärung zu lesen.
Damit schien der Weg frei für eine Neustrukturierung des morbiden Vereinskonstrukts, das mit dem Rückzug Klimeks durch neue Investoren finanziell beatmet werden sollte. Denn die Omni Sport GmbH und somit den HSV Handball drücken Verbindlichkeiten in Millionenhöhe. Das der HSV Handball überhaupt eine Lizenz für die laufende Saison erhalten konnte, verdankt man dem ehemaligen Präsidenten der Fußballer, Jürgen Hunke. Der gab den Hanseaten ein Darlehen, um auch weiterhin in der ersten Bundesliga spielen zu können. Auch nach Klimeks Abgang wollte Hunke dem HSV mit Rat und wenn nötig auch mit finanzieller Unterstützung zur Seite stehen. Klimek müsse jedoch für alle Verbindlichkeiten aufkommen, forderte Hunke.
Inzwischen ist das Team von Trainer Bob Hanning Tabellenführer der Handball-Bundesliga und steht nach den Siegen gegen den weißrussischen Pokalsieger Regia Minsk in der dritten Runde des EHF-Pokals. Doch vereinsintern hat sich bisher nichts getan. Winfried Klimek ist noch immer Geschäftsführer der Omni Sport. „Herr Westphalen hat bisher keinen Treuhändervertrag“, erklärt HSV-Präsident Heinz Jacobsen gegenüber der taz. Das bestätigt auch Klimek auf Anfrage: „Das alles werden wir am 20. Oktober notariell regeln.“ Ob er die Schulden des Vereins auch weiterhin trage, wollte Klimek nicht beantworten. „Es interessiert mich nicht, was sie schreiben oder fragen. Ich sage gar nichts mehr“, so Klimek.
Das operative Geschäft führt die Geschäftsstelle, die über nötige Vollmachten verfügt. Dierk Schmäschke steht der Vereinsführung wieder einmal beratend zur Seite. Der ehemalige Manager der SG Flensburg-Handewitt habe zwar keinen Vertrag beim HSV unterschrieben, aber „die Mannschaft und das Projekt sind es wert, dafür zu arbeiten“, sagt Schmäschke.
Das stellt der kommissarische Vorsitzende der Handball-Liga (HBL), Bernd-Uwe Hildebrandt, in Frage. Am 15. 10. wird sich der Gutachterausschuss mit den Zahlen des HSV auseinander setzen. „Alles, was gesellschaftlich passiert, ist unwichtig. Mich interessieren nur die Zahlen“, sagt Hildebrandt. Für ihn ist Winfried Klimek weiter ganz alleine dafür verantwortlich, was mit dem HSV passiert. Und auch dem jetzigen HSV-Präsidenten Jacobsen misstraut er weiterhin. Dieser habe die Lizensierung für den Verein in seiner damaligen Funktion als HBL-Vorsitzender schon beeinflusst, als er wusste, demnächst beim HSV tätig zu sein, lautet der Verdacht vieler Konkurrenten aus der Bundesliga. Die sprechen außerdem von Wettbewerbsverzerrung. „Es kann nicht sein, dass sich ein finanziell angeschlagener Klub teure Starspieler leisten kann“, wettert Lemgos Rechtsaußen Florian Kehrmann. So etwas habe es in der Bundesliga noch nicht gegeben, vermutet auch Hildebrandt, wenngleich ein rückdatierter Lizenzentzug wohl nicht der Satzung entspräche.
Welche Sanktionen der HSV bei einer Unterdeckung des Liquiditätsplans zu erwarten hat, lässt Hildebrandt offen. „Viele“, sagt er hinsichtlich der HBL-Vorstandssitzung am 24. 10., „denn es spricht zurzeit nicht allzu viel dafür, dass der HSV eine Zukunft hat.“ CHRISTINA STEFANESCU,OKE GÖTTLICH