: Geiseln des Raums
Wenn das Video in sich geht. Und der Mensch dann in surreale Weiten flüchtet: Jürgen Albrechts jüngste Installation „Licht und Raum“, derzeit in der Galerie der Gegenwart der Kunsthalle zu sehen, malträtiert nachhaltig Besuchererwartungen
von Hajo Schiff
Es ist besser, wenn die Dinge um uns herum ihre Position nicht wechseln: Der Büroflur führt nicht in unbekannte Welten, und hinter den Zimmertüren zu Hause haben nützliche und weniger nützliche Dinge ihren eindeutigen Raum. Bei der Installation von Jürgen Albrecht in der Kunsthalle ist das merkwürdigerweise momentan nicht so: Im Medienraum der Galerie der Gegenwart entpuppt sich eine weiße, etwa drei Meter lange, hängende Skulptur als langer, rätselhafter Gang. Ein Pappgebilde wird zu einem Filmset und Echtzeitvideoübertragungen zu zeitlosen Traumsequenzen.
Schuld an allem ist der 1954 geborene Hamburger Jochen Albrecht. Seit 20 Jahren konstruiert er in einfachen Pappkästen verborgene Modellräume. Sie mögen ihren Ausgangspunkt in kindlich imaginierten Welten haben, die einst in Schuhkartons erbastelt wurden – für den ausgewachsenen Künstler sind sie komplexe Paraphrasen zum Thema Raum. In Augenhöhe gehängt, eröffnen die schlichten länglichen Kisten im Inneren einen Blick in eine gestaffelte Raumflucht, die durch Türen, Fenster oder Oberlichter gegliedert scheint. Dabei entsteht dieser Eindruck ohne zusätzliche Beleuchtung: Allein das durch einige Einschnitte aus dem Ausstellungsraum einfallende Licht erzeugt diesen Effekt. Und während in den bisherigen Arbeiten des Künstlers dieses überraschende Guckkastenerlebnis im Vordergrund stand, ist bei den neueren, freiskulptural positionierten Arbeiten von Jürgen Albrecht die indirekte Innenwahrnehmung durch die Erfassung einer Videokamera entscheidend.
Trotz hochkarätigen Medieneinsatzes – sechs Monitore hat er aufgebaut – sowie einer raumfüllenden Projektion handelt es sich bei der schlicht „Licht und Raum“ betitelten Arbeit allerdings um eine außerordentlich ruhige Installation. Doch ist sie zugleich beunruhigend, da nicht nur Größenordnungen und Raumgewissheiten in Frage gestellt werden, sondern auch die üblichen Erwartungen an Videomonitoren. Denn wäre das, was da auf den Bildschirmen zu sehen ist, ein Film: Wann endlich beträte jemand diese leeren Räumen, wann endlich zeigten sich die, deren Schatten die Installation beeinflussen? Als Film ist das Ganze ein surrealer Alptraum in konstruktiver Leere, ein paradoxes, somnambules Gefangensein in offenen Raumfluchten, die Galerie, Amtsflur oder Bunker sein könnten.
Mit seiner Installation gelingt Jürgen Albrecht in der Tat eine hohe Komplexität: Der Kasten ist eine Skulptur und ein Architekturmodell, durch den Medieneinsatz wird er zum Bühnenbild und durch das sich verändernde Licht zum Film. Eingefügt in die teilverspiegelte, 1987 geschaffene Raum-Dekonstruktion von Dan Graham, wird die kontemplative Statik dieses Filmbildes von unerreichbaren Räumen zu einer Medienreflexion, die bemerkenswert viele Aspekte ausreizt.
Di–So 10–18; Do bis 21 Uhr, Kunsthalle; bis 3. 4. Katalogheft 3 Euro