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Geiselfreilassung als „Versuchsballon“

■ Regierungsnahe iranische Zeitung fordert Freilassung zweiter Geisel / Iran und Syrien um bessere Beziehungen zu Washington bemüht

Teheran/Damaskus (afp) - Die regierungsnahe iranische Tageszeitung 'Teheran Times‘ hat am Montag „libanesische Gruppen“ aufgerufen, eine zweite US-Geisel freizulassen. Am Sonntag hatte die libanesisch-schiitische Gruppe „Islamischer Heiliger Krieg zur Befreiung Palästinas“ den Amerikaner Robert Polhill nach mehr als dreijähriger Geiselhaft freigegeben. Das englischsprachige Blatt fügte hinzu, damit „würden die libanesischen Gruppen einmal mehr ihren guten Willen“ demonstrieren. Einflußreiche Schiitenkreise in Beirut sprachen indes davon, die Freilassung von Polhill sei nur ein „Versuchsballon“ gewesen, um ihrerseits den guten Willen der Amerikaner zu testen.

Die 'Teheran Times‘ unterstrich in ihrem Aufruf aber gleichzeitig, daß den Geiselnehmern diese Entscheidung „sicherlich nicht leicht fallen wird“. Diese zweite Freilassung „ohne Bedingungen“ erscheint der Zeitung, die als Sprachrohr des iranischen Präsidenten Rafsandschani gilt, unerläßlich, um „zu einer Atmosphäre des Vertrauens beizutragen“. Zur Rolle des Irans selber hebt das Blatt hervor, daß die Regierung Rafsandschani alles unternommen habe, um die Affäre zu lösen. Es sei bestimmt nicht leicht gewesen, mit den libanesischen Gruppen zu verhandeln. Aber wenn auch die andere Seite guten Willen zeige, würde dies zur Freilassung aller sechzehn westlichen Geiseln noch in diesem Jahr führen, hieß es weiter. Schon seit längerem ist die iranische Regierung bemüht, durch Vermittlung in Geiselangelegenheiten aus der internationalen Isolierung herauszukommen. Zwei hohe libanesische Verantwortliche, die syrischen und schiitischen Fundamentalistenkreisen nahestehen, erklärten mittlerweile, daß die Freilassung einer weiteren der sieben noch im Libanon inhaftierten westlichen Geiseln „nahe bevorsteht“. Beide Sprecher betonten, daß ein solcher Schritt die Amerikaner überzeugen sollte, Damaskus und Teheran „nicht nur verbal zu danken“. Syrien wird immer noch auf der amerikanischen Liste mit den Ländern geführt, „die Terroristen ermutigen“.

US-Präsident George Bush dankte unterdessen Syrien und dem Iran für deren Hilfe bei der Freilassung. Bei einer improvisierten Pressekonferenz am Sonntag in Islamorada machte er zugleich deutlich, er wolle sich auch weiterhin energisch für die Freilassung der anderen US-Geiseln einsetzen, ohne mit den Entführern zu verhandeln.

Der syrische Außenminister Faruk Asch-Schareh äußerte unterdessen die Hoffnung, daß mit dieser ersten Freilassung der Weg freigemacht werde für weitere Befreiungen. Er betonte auch, daß sein Land sehr eng mit dem Iran in der ganzen Geiselangelegenheit zusammengearbeitet habe.

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