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Geiselaustausch zwischen Israel und HamasAktion beginnt wohl nicht vor Dienstag

Gefängnisbehörden befürchten Unruhen von Häftlingen, die nicht amnestiert werden. Die Öffentlichkeit kann Einspruch gegen das Abkommen einlegen.

Aktion palästinensischer Frauen für die Befreiung ihrer Angehörigen aus israelischen Gefängnissen am Donnerstag in Gaza-Stadt. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Zwei Tage nach Bekanntwerden des bevorstehenden Geiselaustauschs zwischen Israel und der Hamas laufen die Vorbereitungen dafür auf Hochtouren. Die israelische Gefängnisbehörde kalkuliert Unruhen durch Häftlinge, die nicht auf der Amnestieliste stehen, ein. Die Familie des verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit hat ihr Protestzelt in Jerusalem verlassen, wo sie über ein Jahr ausharrte, und will in ihrem Heimatort Mitzpe Hila auf seine Rückkehr warten.

Um letzte Hand an das Abkommen mit Israel zu legen, reiste Chaled Meschal, Chef des Hamas-Politbüros, nach Kairo, wo er mit Vertretern der Fatah zusammentraf. Informationen der Jerusalem Post zufolge soll auch Schalit bereits in Kairo sein.

Die endgültige Liste mit den Namen der zu entlassenen Palästinenser wird laut dpa erst am Sonntag einzusehen sein. Anschließend hat die Öffentlichkeit 48 Stunden Zeit, beim obersten Gerichtshof Einspruch gegen die Übereinkunft einzulegen. Frühestens am Dienstag nächster Woche könnte dementsprechend der Austausch beginnen. In erster Phase werden 450 Männer und 27 Frauen auf freien Fuß kommen, von denen über die Hälfte zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt ist. Nur knapp ein Drittel der aus dem Westjordanland stammenden Häftlinge darf in die Heimatorte zurück, alle anderen werden nach Gaza abgeschoben oder in Drittländer.

Ungeachtet des bislang präzedenzlosen Verhältnisses bei einem Geiselhandel von über 1.000 Häftlingen im Tausch gegen einen Soldaten wurde die Hamas dafür kritisiert, dass sie nicht hartnäckig genug geblieben sei und auf die Entlassung von Marwan Barghuti, dem Fatah-Chef im Westjordanland, und Ahmad Saadat, Generaldirektor der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) verzichtet habe. Die Hamas rechtfertigte sich mit dem Argument, sie habe noch nicht einmal die eigenen Leute aus dem Gefängnis holen können. Hätte man auf die Entlassung der in Israel als besonders gefährlich geltende Attentäter Barghuti und Sadaat bestanden, wäre der Handel geplatzt, so die Argumentation.

Die Hamas-nahen Kassam-Brigaden kündigten unterdessen die Entführung weiterer Soldaten an. Solange Israel Palästinenser in seinen Gefängnissen festhalte, werde Schalit "nicht der letzte entführte Soldat" bleiben, hieß es.

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4 Kommentare

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  • H
    hannes

    Klar ein Staat der auf den Trümmern von 600 Pal. Städten und Dörfern errichtet ist nennen Sie also friedlich. Ein Staat der die Pal. wie Tiere in einem riesen Freiluftgefängis einsperrt ist also demokratisch. Israel hat über 11.000 Pal. Gefangene inhaftiert, darunter viele Kinder. Ja, ja das Märchen von den bedrängten Zionisten. Tzz, da stellt sich doch die Frage, Ob nicht Israel die Palästinenser seit 1948 von der Landkarte tilgen und nicht umgekehrt. Lernen Sie Geschichte bevor Sie sich äussern!

  • E
    end.the.occupation

    Während 200 der palästinensischen Gefangenen deportiert werden sollen, kommt Gilad Shalit 'nach Hause'. Ethnische Säuberung ist eben das Kerngeschäft Israels - seit Theodor Herzl.

     

    Und - wo berichtet die Lautsprecherin der israelischen Staatsraison von dem seit dem 27.9. laufenden Hungerstreik palästinensischer Gefangener - oder über den Hintergrund des Hungerstreiks?

    Nirgendwo natürlich - denn das ist schliesslich ihr selbstgewählter Desinformationsauftrag ...

  • M
    Marcus

    Ob die entführung weiterer Soldaten wirklich die beste aller Ideen ist. Klar Israel hat gezeigt das Sie gewillt sind 1000 Häftlinge frei zu lassen, aber auch das sie gewillt sind einen Krieg zur befreiung eines Soldatens zu führn.

     

    Kann den wirklich irgednjemand eine wiederholung des Gazakrieges wollen? Und es steht wohl außer Frage das die Militärs alles tun werden um nicht ein 2. Mal bei einer militärischn Suchaktion zu Scheitern.

     

    PS.Mir ist klar das "militärischn Suchaktion" ein schrecklicher euphorismus ist, gerad in anbetracht der vielen zivielen Opfer, aber es beschreibt numal was sie tun.

  • H
    Harald

    Ein gewichtiges Friedenspfand

     

    In Israel ist gerade die Kacke am Dampfen. Man stelle sich das mal auf Deutschland übertragen vor: Hunderte der schlimmsten Mörder und Massenmörder würden auf freien Fuß gesetzt. Undenkbar. Staatskrise.

     

    Obwohl Israel mit einseitigen Zugeständnissen, wie dem Rückzug aus Südlibanon und Gaza, mehr als schlechte Erfahrungen gemacht hat, wird abermals der Weg einer immensen Vorleistung beschritten.

     

    Klar, Israelhasser und Terrorfans sind erst zufrieden, wenn Israel vernichtet und von der bekannten PLO Landkarte gestrichen ist. Ein friedlicher Multikulti-Staat, mit jüdischer Bevölkerung und gelebter Religionsfreiheit, darf im Nahen Osten einfach nicht existieren.

     

    Dennoch ein Narr wer glaubt, Netanjahu ließe sich von Hamas über den Tisch ziehen. Die Tausend sind ein gewichtiges Friedenspfand. Sollte Hamas, d.h. Iran diese wieder ihrer alten Beschäftigung nachgehen lassen oder aufs neue Israelis kidnappen, wäre eine UN Anerkennung, wenn nicht endgültig, so auf Jahre vom Tisch.