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Geisel-Gerüchte

■ War die Gruppe Abu Nidals als Entführer nur vorgeschoben? / Belgische Regierung zur Freilassung eines Palästinensers bereit

Berlin (ap/taz) - Die drei befreiten Geiseln, die Französin Jacqueline Valente, ihr belgischer Lebensgefährte Fernand Houtekins und ihre Tochter Sophie-Liberte, sind am Donnerstag in Paris erstmals vor der Presse erschienen. Unter Hinweis auf ein Ersuchen der belgischen Regierung um „völlige Diskretion“ - vier belgische Staatsangehörige befinden sich noch in der Gewalt der Entführer - lehnten Frau Valente und Houtekins jedoch die Beantwortung von Fragen ab.

Somit wurde weder dementiert noch bestätigt, was in britischen und französischen Zeitungen seit der Freilassung der drei Geiseln unter Bezugnahme auf den französischen Geheimdienst beziehungsweise PLO-Quellen in Tunis kolportiert wird: Die Geiseln seien nicht im Libanon gefangengehalten worden, sondern in Libyen. Sie seien eigens zur Übergabe an die französischen Behörden nach dem Libanon transportiert worden. Ein neues bemerkenswertes Szenario präsentierte der für gute Geheimdienstkontakte bekannte Pariser 'Figaro‘. Frau Valente und ihre sieben Begleiter seien, bereits geraume Zeit vor dem offiziellen Entführungstermin im November 1987, in der Großen Syrte, also direkt vor der libyschen Küste und folgerichtig nicht von den Palästinensern des Abu Nidal, sondern vom libyschen Küstenschutz aufgegriffen worden. Als bei einem der Männer ein israelischer Paß gefunden wurde, hätten die Libyer sich (zu früh) über den dicken Fang israelischer Agenten gefreut.

Frau Valente hatte Frankreich bereits 1984 zu einem Segeltörn um die Welt verlassen. Libysche Nachforschungen hätten ergeben, daß es sich nicht um israelische Agenten gehandelt habe. Gaddafi habe daraufhin Nidals Gruppe, die sich dann 1987 zu der Entführung bekannt hatte, nur vorgeschoben. Abu Nidal ist vom Wohlwollen Gaddafis abhängig und soll zumindest im entsprechenden Zeitraum Asyl in Libyen genossen haben.

Frankreichs Außenminister Dumas bestritt unterdessen erneut, daß Frankreich mit den Entführern direkt verhandelt habe. Es gebe auch keine Verbindung zwischen der Lieferung von drei Mirage-Jagdbombern an Libyen und der Freilassung der Geiseln, sagte Dumas auf einer Anhörung eines Senatsausschusses. Besonders die britische Presse hatte die Verhandlungen Frankreichs mit den Entführern scharf kritisiert. „Purer Neid“, hatte das französische Außenministerium gekontert, „Frankreich war erfolgreich, wo andere versagt haben. Alle französischen Geiseln sind frei.“

Die Regierung Belgiens ist nach einem Bericht der Tageszeitung 'Le Peuple‘ damit einverstanden, den palästinensischen Gefangenen Said Nasser im Tausch gegen die vier letzten Geiseln aus der Gruppe um Frau Valente freizulassen.

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