: Gehört der Schwarze Block zur G-8-Protestbewegung?
JA
Für die Demoveranstalter von Attac mag es ärgerlich sein, dass statt einer überwiegend friedlichen Großdemonstration zum Protestauftakt nun nur Krawallbilder durch die Weltpresse gehen. Aber: Nun die so genannten „gewaltbereiten Autonomen“ auszuschließen – damit ist niemandem geholfen.
Zumal ein Ausschlussverfahren gar nicht funktionieren würde. Denn schon die Suche nach den „Autonomen“ würde ins Leere laufen. Kann man denn alle vom Protest ausschließen, die schwarze Kleidung, Sonnenbrille und Baseball-Cap tragen? Steine lassen sich auch im roten Overall schmeißen. Auch der Teil, der das Treffen der G-8-Staaten besonders radikal infrage stellt, sollte nicht einfach ausgeschlossen werden. Nicht jeder Linksradikale ist automatisch ein Steinewerfer.
Der Schwarze Block ist bei vielen Teilen der linken Szene kein ideologisches Bekenntnis, sondern vor allem eine Aktionsform, über die sie taktisch diskutieren. Um von Nazis nicht gleich als Einzelne erkannt zu werden, leuchtet ein geschütztes Erscheinungsbild bei Protesten gegen Naziaufmärsche ja durchaus ein. Beim Protest gegen den G-8-Gipfel ist der Grund für einen Schwarzen Block zwar nicht ganz nachvollziehbar. Solange er bloß besonders vehement die Kritik an der Mächtigen der Welt zum Ausdruck bringen soll – warum nicht? Bilder über Angriffe auf unbehelmte Polizisten zum Auftakt machen den Protest aber kaputt. Viele Protestierwillige, die sich an den noch anstehenden Aktionen der nächsten Tage beteiligen wollten, werden nun abgeschreckt zu Hause bleiben. Das ist bedauerlich.
Und dennoch: Selbst wenn es möglich wäre, bestimmte Demonstranten rauszuschmeißen, es würde nur dazu führen, dass gar keine Absprache mehr möglich ist. Ein Protestmonopol gibt es nicht. Die Aktionen würden den Veranstaltern nur noch mehr außer Kontrolle geraten. Eine Bewegung ist zwar mühseliger zu lenken als ein Unternehmen oder ein Verein – aber eine unsichtbare Hand ist sie nicht. Noch sind Absprachen mit „Autonomen“ möglich. FELIX LEE
NEIN
Der Krawall in Rostock hat drastisch vor Augen geführt, dass die Zusammenarbeit mit Militanten ein Irrtum der Anti-G-8-Bewegung war. Dort haben sich rabiate Jungmänner egozentrisch und gewalttätig aufgeführt – also ungefähr so wie George W. Bush auf internationaler Bühne. Es geht ihnen nicht um Politik, sondern um narzisstische Kicks. Wie man die Macht der Hedgefonds bricht oder globale Unrechtigkeiten abschafft, ist ihnen egal. Sie wollen sich, auf Kosten anderer, Adrenalinschübe verschaffen.
Kann sein, dass sie sich für Kämpfer gegen „den Kapitalismus“ halten – ihre soziale Praxis ist hooliganartige Gewalt, die es kaum nötig hat, irgendeine Vermittlung zu erfinden. Sie haben Kleinwagen abgefackelt, Zeitungsläden demoliert und auch Demonstranten mit Steinen beworfen. Diese Linksradikalen sind nicht links und schon gar nicht radikal. Mit ihrer machohaften Rücksichtslosigkeit passen sie bestens in ein System, in dem gewinnt, wer mit den Ellenbogen arbeitet. Sie sind, wie ein Blogger auf Indymedia schreibt, „ein Männerbund, der dringend eine frische Prise Gender-Theorie“ braucht. Wenn sie unbedingt Grenzerfahrungen brauchen: Wie wär’s mit Bergsteigen, Boxen, Koma-Kiffen oder Ego-Shooter-Spielen? Die Bewegung darf ihnen jedenfalls keine Kulisse bieten, ihren Testosteronüberschuss als Politik zu verkaufen.
Die gute Botschaft lautet: Selten waren Chaoten auf einer Demo so isoliert. Das war früher oft anders. Irgendwie gehörten sie dazu. Viele meinten, dass der Kapitalismus halt Gegengewalt provoziert. Doch der Krawall in Rostock war kein Widerstand gegen strukturelle Gewalt. Sondern Abenteuerurlaub für ein paar hundert Postpubertäre.
Deshalb: Keine Zusammenarbeit mehr mit Autonomen. Und zwar nicht bloß, weil Randale dem Image der Bewegung schadet. Sondern weil Chaoten und Bewegung wenig gemein haben. „Die Bewegung“, so ein Linksradikaler kürzlich in der taz, „ist wie ein Orchester“, die Militanz darin eine Stimme. Ganz falsch. Die Anti-G-8-Bewegung und die Militanten spielen völlig verschiedene Melodien. STEFAN REINECKE