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Gehen Sie mir aus den Augen, Sie Siegloch!

von WIGLAF DROSTE

Wenn man den Namen Friedman hört, muss man fürchten, Zeuge eines unappetitlichen Ereignisses zu werden. Ein kaltgepresster Talkmaster hält seinen extra verginen Teint zentimeternah an die Rübe seines Gastes und übergießt diesen mit einem Sud aus Pathos, Distanzlosigkeit und Gejabbel. Weil es Spanner gibt, hat Michel Friedman, die Idealbesetzung für eine Neuverfilmung von Karl Mays „Der Ölprinz“, ein Publikum. „Sie möchten ein Buch von Michel Friedman?“, fragte der Buchhändler begeistert. „Hat er eins über seine Gäste gemacht?“

Das ist dem Mann zwar unbedingt zuzutrauen, aber davon wollte ich gar nichts wissen. Ich hatte ja auch um ein Buch von Kinky Friedman gebeten, „Blast From The Past“, vor kurzem auf Deutsch als „Ohrensausen“ bei Piazza/Heyne erschienen. Ich wünschte dem Buchhändler in Gedanken noch viel Freude an einem Leben in Überqualifizierung und trug das Buch nach Hause. Gut sah es aus, gut lag es in der Hand, gut roch es, und nach dem visuellen, haptischen und olfaktorischen Vorspiel ging es zur Sache.

„Ohrensausen“ zeigt Friedman Ende der Siebzigerjahre in New York. Er ist nicht mehr der Sänger der Texas Jewboys, und er ist noch nicht der Krimiautor, der mit „Greenwich Killing Time“ groß herauskam. Mitte dreißig hängt er etwas durch und an der „peruanischen Marschverpflegung“ – was ein zeitgenössischer Euphemismus für blödes Nasen-Ata ist.

Die Geschichte hat viel mit Paranoia zu tun – schließlich geht es auch um Abbie Hoffman, den vom FBI verfolgten Yippie, den Friedman versteckt und von dem der hoffnungslos sentimentale Friedman hier und da etwas lernt: „Nostalgie ist das Krankheitssymptom eines Individuums oder einer Gesellschaft.“ Friedmans eigene Sentenzen lesen sich etwas paradoxer: „Die Welt hat viel mit dem Wartezimmer eines Tierarztes gemein. Viele Menschen. Viele Tiere. Viel Leben, Tod und Krankheit. Viel Warten. Unbezahlte Rechnungen. Abzuschneidende Hoden.“ Ach ja?, denkt man, wundert sich und liest sich weiter vor.

Friedmans Humor ist oft schabernackig: „Mein größter Dank geht an Dr. Charles Ansell, der mir das Wort ‚Petzel‘ beibrachte, was auf Jiddisch ‚kleiner Penis‘ heißt“, schreibt Friedman in seiner Danksagung – und hat es sich nicht verkniffen, dem Hauptmiesnickel im Buch den Nachnamen Petzel zu verpassen. Friedmans Dank schließe ich mich an – neue Wörter sind oft eine Freude, und wenig geht über eine hübsch sinnlose Beleidigung in Käpt’n-Haddock-Qualität, die der damit Belegte als solche nicht begreift, weil er sie nicht kennt. „Gehen Sie doch nach Hause, Sie Siegloch!“ wäre so gesehen auch eine astreine Invektive, speziell für die Nachrichtenpetzen beim 2DF, die sich für ihr grienendes Aufsagen von Propaganda und Kodder eine Wahrheit von Kinky Friedmann auf das Glas pinseln dürfen, hinter dem sie leben: „Militärische Intelligenz ist ein Widerspruch in sich.“ Die viel beschworene jüdische Intelligenz dagegen existiert manchmal leider nur als positives Vorurteil. Denken Sie mal an Michel Friedman.

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