Geheime Atomtransporte : Die ignorierte Gefahr
Grotesk: 20 bis 30 Mal im Jahr rollen Züge mit Uranhexafluorid mitten durch Nordrhein-Westfalen – und kaum jemand interessiert sich dafür. Dabei ist der Grundstoff für die Brennstäbe der deutschen Atommeiler nicht nur radioaktiv, sondern auch hochgiftig. Bei Kontakt mit der Umwelt entsteht stark ätzende Flusssäure. Bei einem Zugunglück rechnet selbst die Firma Urenco, Betreiberin der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau und Auftraggeber der Transporte, mit Toten.
KOMMENTAR VON ANDREAS WYPUTTA
Die Atomzüge rollen dennoch mitten am Tag durch belebte Bahnhöfe und Wohngebiete, werden munter hin- und herrangiert und bleiben nachts auch mal auf unbewachten Güterbahnhöfen stehen. Anwohner aber werden nicht informiert – dabei führen die Transportstrecken mitten durch das Rheinland und das nördliche Ruhrgebiet.
Bei der Urenco, einer Tochterfirma der Atomstromkonzerne RWE und Eon, hat diese Geheimhaltung Tradition. Der Urananreicherer, der Uranhexafluorid auf seinem Gronauer Betriebsgelände in Fässern unter freiem Himmel lagert, informiert generell nicht über die Transporte. Fahrlässig aber ist, dass Nordrhein-Westfalens Behörden – vom Energieministerium über die Polizei bis zu den Stadtverwaltungen – diese Geheimniskrämerei mitmachen. Die Anfragen von Anti-Atom-Initiativen zeigen: Viele Stadtverwaltungen entlang der Transportrouten wollen nicht einmal wissen, wann Gefahr durch durch Atomzüge droht.
Geschützt werden kann die Bevölkerung so nicht. Sollte es tatsächlich einmal zu einem Unfall kommen, träfe der nicht nur die lokalen Feuerwehren unvorbereitet. Auch Evakuierungspläne existieren nicht. Stattdessen wird die Gefahr nicht nur in den Rathäusern, sondern auch von Seiten der Landesregierung einfach ignoriert: Ein Skandal, schon heute.