: Geheim nur für die Öffentlichkeit
betr.: „Geheime Zusage zu Obrigheim?“, taz vom 7. 10. 02
In den Berichten zu Obrigheim ist davon die Rede, dass Bundeskanzler Schröder sich im Laufe der Konsensgespräche durch eine Geheimabsprache verpflichtet habe, die Laufzeit für das AK Obrigheim durch Übertragung von Strommengen zu verlängern.
Dass eine solche Geheimabsprache stattgefunden haben soll, kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich haben die Fraktionen von SPD und Grünen ins Atomgesetz explizit den Passus hineingeschrieben, dass zwecks Verlängerung der Laufzeiten Strommengen von neuen AKWs auf alte übertragen werden können. Zwar müssen zu einer solchen Übertragung das Bundesumwelt- ministerium, das Wirtschaftsministerium und das Bundeskanzleramt ihre Zustimmung erteilen. Wenn man nicht gewollt hätte, dass eine solche Zustimmung gegebenenfalls auch erteilt würde, hätte man die Bestimmung nicht ins Gesetz aufnehmen dürfen.
Die Betreiber aller alten AKWs haben damit das Recht erhalten, einen Verlängerungsantrag zu stellen. Das Recht auf Antragstellung beinhaltet auch das Recht auf Genehmigung, es sei denn, das Umweltministerium, das Wirtschaftsministerium und das Bundeskanzleramt könnten nachweisen, dass der Reaktor unmittelbar vorm technisch bedingten Zusammenbruch steht. Da der Umweltminister bereits seine Prüfbereitschaft erklärt hat, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass er bereit ist, die Zustimmung zur Verlängerung zu erteilen. Andernfalls hätte er sicherlich im Brustton der Empörung die Ablehnung des Antrages verkündet. Geheim war die ganze Sache nur für die Öffentlichkeit, die über die Bedeutung der Übertragungsregelung für die Strommengen nicht richtig aufgeklärt wurde.
Es ist zu begrüßen, dass die Grünen die Parteispitze bedrängen, die Verlängerung der Laufzeit für Obrigheim nicht zuzulassen. Auf die Reaktionen der Spitzengrünen auf dem bevorstehenden Parteitag darf man nun gespannt sein. TRAUTE KIRSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen