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Geh rein und laß dich bezaubern

■ »Frauen und Pornographie« — eine Diskussion im Haus der PDS

Im PDS-Haus am Köllnischen Park sind Pornos von Frauen angekündigt. Da muß Frau Ost natürlich hin. Schließlich will sie auch ihren sexuellen Horizont erweitern, der nach langjähriger Enthaltsamkeit in dieser Hinsicht doch sehr begrenzt ist. Die massenweise ins Land strömenden Pornovideos, die jetzt wie früher die Brötchen gleich um die Ecke zu haben, aber auch wie früher gleich wieder vergriffen sind, konnten jedoch dieses Defizit bei ihr nicht ausgleichen. Die ewig gleichen altbekannten Bewegungsmuster in sich nur wenig voneinander unterscheidenden Varianten langweilten eher, als daß sie auf- oder erregten.

Da hätte die Veranstaltung der Monatsschrift für Kultur und Politik 'Sondeur‘ Frauen und Pornographie ein Novum sein können. Doch weder die beiden Kurzfilme Blues Transit von Barbara Thiel — eine eher harmlose Selbstinszenierung weiblicher Lust in verschwommenen Blautönen — und Between von Claudia Schillinger — eine szenische Collage, in der eine auf einer Sommerwiese im rot-schwarzen Kleid Liegende ihre Phantasien Bilder werden ließ — noch die gelesenen Texte lösten eine Diskussion darüber aus, was nun anders sei, wenn Frauen solche Filme machen.

Die Expertin Claudia Gehrke aus Tübingen, Herausgeberin und Verlegerin in Sachen Frauenlust und Sammlerin von Frauenpornos, sprach von der Schwierigkeit, an die im Untergrund produzierten Streifen überhaupt heranzukommen. Anders als bei den Männerprodukten ist in den von Frauen gedrehten Filmen immer ein Moment der Irritation, der Verweigerung enthalten. Jedes geschaffene Bild wird gleich wieder zerstört. Frauen würden exzessiv durch ihren Körper gehen bis hin zur Gewalt. Die »sanfte Sexualität« sei eben schwerer darzustellen. Doch was unterscheidet »poetische« Gewalt von »pornographischer« Gewalt? Oder ist die Gewalt, von Frauen gezeigt, eine andere als jene von Männern?

Der Erklärung des Phänomens durch die Expertin hatte kaum jemand im Saal etwas entgegenzusetzen. Selbst den Männern im Podium fiel es sichtlich schwer, sich der Problematik zu nähern. Asteris Kutulas, Herausgeber des 'Sondeur‘, zitiert für seine Reaktionen eine Frau, anstatt von sich zu reden. Männern bleibe eben nichts weiter übrig, als sich keine Gedanken zu machen, Macho zu sein oder kein Macho zu sein. Aber wie funktioniert das nun wirklich bei den Männern? Auch darauf hat die Expertin eine Antwort. Männerpornofilme machen es Männern bequem. Sie bekommen etwas vorgeführt, etwas technisch Perfektes, aber ihre Phantasie bleibt dabei auf der Strecke.

Die Geschichte habe den Männern viel Lustpotential genommen, weiß die schreibende Prostituierte Gala Breton, die zuvor mit ihrem eigenen Text Hilfe, die Ostmuschis kommen die Grenze zum Sexistisch- Rassistischen überschritt, wie eine Frau aus dem Publikum bemerkte. Männer, so meinte Gala Breton, die den Angriff mit: »Bin ich auch«, entkräftete, später, seien kaum in der Lage, sich hinzugeben, weil sie ihre Lust erfolgreicher offen ausleben könnten, während Frauen immer nur Phantasien produzierten. Ob deshalb ihre Filme auch poetischer, lustvoller und imaginärer sein müssen als die der Männer, wie Claudia Gehrke behauptete, ließen die gezeigten Beispiele an dem Abend bezweifeln.

Da man sich in der einen Frage nicht näherkam und es auch sichtlich schwierig war, die Gefühlsunterschiede der Geschlechter in dieser Runde auf den Punkt zu bringen, sprach man dann lieber über die »Lust jenseits der Inszenierungen«, die man im Puff findet. Hier schlägt die Gunst der Stunde, hier brechen die Tabus, denn die Dinge verschwimmen, sobald sie ins Rotlicht treten, verriet Gala Breton. Zweiflern (ob die Frauen tatsächlich mit Lust ihr Geld dort verdienen?) rät sie, ihre Verklemmungen zu vergessen: Geh rein und laß dich bezaubern. Ganz einfach.

Anja Baum

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