Gegnerbeobachtung per Fragebogen: Grüne spionieren Linke aus

Grüne erfassen Informationen über die Linkspartei in den Ländern – mit fragwürdigen Methoden. Man fragt unter anderem nach "Besonderheiten" und "personellen Zwistigkeiten".

Fragebogen, Grün eingefärbt. Bild: screenshot pdf

Ein Mitarbeiter der Grünen-Bundestagsfraktion wollte sich viel lästige Telefoniererei ersparen. Deshalb nutzte er die Möglichkeiten moderner Kommunikation.

Per E-Mail schickte er einen Fragebogen (PDF) an alle Landtagsfraktionen der Grünen. In sieben Punkten sollten diese angeben, was sie von den Linksfraktionen in den Landesparlamenten wissen. Erfragt wurden: "Politische Schwerpunkte" und "politische Schwachpunkte", aber auch "Interne Streitigkeiten" sowie "Personelle Zwistigkeiten". Die letzten beiden Fragen erfassten "Besonderheiten (z.B. Stasi-Vergangenheit von Fraktionsmitgliedern, Umgang damit; politische Herkunft u.ä.)" sowie "Sonstige Auffälligkeiten".

Ein Informationsaustausch mit den Landtagsfraktionen sei "eigentlich überhaupt nichts ungewöhnliches", betonte am Donnerstag der Pressereferent der Grünen Bundestagsfraktion Matthias Tang. In einer Stellungnahme erklärt die Fraktionsführung, der Fragebogen sei "auf Arbeitsebene entstanden" - habe also nichts mit Renate Künast oder Jürgen Trittin zu tun, und auch nicht mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer Volker Beck, bei dem der Mitarbeiter angesiedelt ist.

"Ein Austausch über die parlamentarische Arbeit in Bund und Ländern und über die Arbeit der politischen Konkurrenz ist ein völlig normaler Vorgang. Die Intention des Fragebogens war, öffentlich zugängliche Informationen einzusammeln und zu bündeln", lautet die Erklärung weiter.

Wie vollkommen normal der Fragebogen aus Sicht der Bundestagsfraktion ist, beweist, dass kaum zwei Stunden nach Bekanntwerden des ersten Dokuments bereits eine, wie es heißt, "präzisierte Fassung" zur Verfügung gestellt wurde.

Darin fehlen die Fragen nach den "personellen Zwistigkeiten" sowie nach den "sonstigen Auffälligkeiten". Insbesondere diese Punkte haben demnach in den Augen der Grünen-Fraktionsspitze "Anlass zu missverständlichen Interpretationen geboten".

Dies fand offenbar auch die Vize-Chefin der Hamburger grünen Rathausfraktion Antje Möller. "Das geht über das übliche Verfahren der so genannten ,Gegnerbeobachtung' hinaus", kommentierte sie.

Der Pressesprecher der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Matthias Schröter, war ebenfalls skeptisch: "Auch wir haben den Fragebogen bekommen. Aber was die IM-Tätigkeit angeht, haben wir in Berlin die bewährte Einrichtung des Ehrenrats." Der Sprecher der sächsischen Landtagsfraktion Andreas Jahnel dagegen nannte eine derartige Erhebung "reine Routine". Selbstverständlich beobachte man sich gegenseitig auch systematisch.

Der Geschäftsführer der niedersächsischen Landtagsfraktion Michael Pelke bestätigte der taz, dass seine Fraktion den Urheber des Fragenkatalogs zu einem Vortrag "über die Linke in Bund und Ländern" eingeladen habe. Der Vortrag soll Ende des Monats - nach den Herbstferien - für eine innerfraktionelle Diskussion gehalten werden. Dies dürfte daher der Anlass für den Mitarbeiter gewesen sein, den Katalog zu verfassen.

Pelke bestritt aber, die Fragen abgesprochen zu haben. Er mochte auch keine gewisse Ironie darin erkennen, dass die Grünen jetzt die Hintergründe von Linken-Politikern mit Methoden erfassen, die an die Stasi-Vergangenheit mancher dieser Politiker erinnern. Im Rahmen der Gegnerbeobachtung werde stets nach Besonderheiten gefragt. Und das Besondere an der Linkspartei sei eben genau dieses Merkmal der möglichen Stasi-Verstrickung, meinte Pelke. "Die Gegnerbeobachtung hat in den letzten Jahren stark zugenommen", sagte Pelke. Zu einem "qualitativen Sprung" in der Art der Erfassung sei es dabei aber nicht gekommen.

Die Ironie, die Pelke nicht erkennen mag, sieht der immer wieder mit IM-Vorwürfen konfrontierte Fraktionschef der Linken im Bundestag dagegen sehr genau: "Die Grünen wenden hier Methoden an, die sie regelmäßig anderen schärfstens vorwerfen", sagte Gregor Gysi der taz. "Es gibt halt verschiedene Wege, auf denen man politisch und menschlich verkommen kann."

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