Gegen rechts. Aber wie?: Für wie doof halten die uns?
betr.: „Wen wundert’s?“ (LeserInnenbriefe), „Das widerwärtige Spiegelbild“ von Y. M. Bodemann/Andreas Willisch, taz vom 14. 8. 00
In der derzeitigen Diskussion um den Rechtsradikalismus zeigt sich die deutsche Geschichtsvergessenheit, und da stellt der Artikel vieles richtig!
Im übrigen sind viele Stammtische von ganz anderen Parolen geprägt, als es die Medien mir immer weismachen wollen: Der Kohl hat die Ossis doch verschaukelt! Kein Wunder, dass die sauer sind. Und die Linken hat man ja ganz schnell in die Wüste geschickt! Was für ’n Radikalismus sollte es denn wohl geben, außer dem rechten? Und der Stoiber und der Beckmann, sogar der Schily, haben denen doch die Argumente gegeben! Ja, demokratische Strukturen, die Runden Tische, die Bürgerrechtsbewegung der DDR, genossenschaftliche Wirtschaftsformen und soziale Einrichtungen wurden abgewickelt, die Wessis kamen und wussten es besser. Dann wurde und wird auch noch behauptet, dass die „Einheit“ Herrn Dr. Kohl zu verdanken sei. Sind nicht vielmehr die Leute in Leipzig und Dresden auf die Straße gegangen? Haben nicht große Mengen der Bevölkerung sich Respekt und Hochachtung für diese Zivilcourage verdient?
Im Westen hören sich die Reden jedoch so an, als habe Dr. Kohl in seiner grenzenlose Güte den DDR-BewohnerInnen die Freiheit geschenkt. Woher soll der viel beschworene „zivilcouragierte“ Widerstand gegen rechte Parolen und rechte Gewalt nun den Mut und die Aktionsformen nehmen? Und im Westen glauben ja ebenfalls viele längst an die Rechtmäßigkeit der brutalen Abschiebepraxis, der unsäglichen Asyldebatte über volle Boote und drohender Durchrassung. Und die so genannte rechte Gewalt richtet sich ja ebenfalls gegen westliche Asylbewerberunterkünfte.
Der Skandal der derzeitigen Debatte ist, dass das Problem in den Begriffen Ost und West diskutiert wird, ohne sachliche Genauigkeit. Dabei entsteht der Eindruck, dass vor allem der Osten mal wieder ein Problem hat: Die Ossis sind blöd. Sie waren’s vor und nach der Wende, die sind es heute mit ihren Skins. Die Wessis müssen’s nun wieder richten und dem Osten auf die demokratischen Sprünge helfen.
Da kommt nun die erschrockene Frage auf: Wie denn bloß? Welche demokratische und soziale Kultur haben denn die im Westen? Wie gehen die im Westen denn mit Schwächeren um? Da können die Wessis leider als Gesamtheit nicht so recht auf eine Vorbildfunktion hinweisen und soziales Engagement und zivilcouragierte Initiative „exportieren“ (die bei „uns“ ja auch gegen politischen und behördlichen Widerstand antreten muss.) Aber (und dies setzt dem Fass die Krone auf!) wir haben ja Vorbilder! Denen wäre doch Zivilcourage zuzutrauen! [...] Also zeigen Promis „Gesicht“. Reklame ersetzt die Aufklärung und Diskussion. Das ist die kulturelle Sozialisierung, die der Westen anzuzbieten hat. Ansonsten gleichen die Sprüche der Anti-Rechten in ihrer Verbieten-Ausmerzen-Diktion der Sprache derer, die sie ablehnen.
Na, wenn Steffie Graf gegen die Rechten ist, dann bin ich’s auch! Diese Schmetterlingsnudeln damals hab ich auch gleich gekauft! Und ich geh auch zur Expo, weil da ist ja die Verona Feldbusch dafür. Für wie doof halten die uns eigentlich?
Deshalb meinen ganz besonderen herzhaften Dank für die Wahrheitsseite am 14. 8. 00: „Gesicht zeigen!“ „Über Nach fielen Nazis vom Himmel.“ Genau. BARBARA SCHNEIDER, Hamburg
betr.: „Die zivilisatorische Mission der PDS“ von Jan Feddersen, taz vom 16. 8. 00
Ich finde, hier wird „links“ und „rechts“ verwechselt.
Damit wird die sozialistische Existenz der PDS aberkannt und die Partei zu einem ostdeutschen Traditionsverein degradiert. In erster Linie ist sie doch eine Partei mit einer Ideologie und nicht ein Verein, der die Interessen einer Bevölkerungsgruppe eines geographischen Raumes vertritt.
Wenn ein flächendeckendes Vorgehen gegen die „braune Flut“ realisierbar sein soll, dann doch eher mit anderen „Ostalgievereinen“ wie zum Beispiel den Sportvereinen oder der Institution der Jugendweihe. Das sind Bereiche mit denen sich die Menschen identifizieren und die Einfluss auf eine breite Bevölkerungsgruppe haben kann. Mehr noch: Man kann auf einem solchen „zivilen“ Weg mehr erreichen, als es jemals Parteipropaganda und Wahlen tun können.
Der Weg, den Innenminister Behrens in Nordrhein-Westfalen eingeschlagen hat, halte ich für beispielhaft und durchaus auf die neuen Länder übertragbar. Wenn man den Rechtsradikalismus wirklich von einem soziologischen zu einem politischen Problem macht, dann frage ich mich: Was sind schon 20 Prozent für eine PDS, wenn ohnehin die Wahlbeteiligung in den neuen Ländern bei im Schnitt 60 Prozent liegt. Außerdem sind doch gerade die Jugendlichen die Menschen, die man noch am erfolgreichsten von Rassismus und Intolleranz abbringen kann, die sich aber nie in Form eines Wahlrechts einer politischen Meinung anschließen müssen.
Die These des André Brie, die Partei würde radikale Strömungen in Ostdeutschland binden, sollte doch in erster Linie die Genossen der eigenen Partei aufrufen, in sich zu kehren und ihre Konzepte zu überdenken. Denn wenn es wirklich so ist, dass die PDS radikale Strömungen in der Bevölkerung bindet, muss sie sich doch auch Populismus vorwerfen lassen, denn der Populismus ist doch das Mittel, mit dem man Radikalismus weckt und fördert (siehe Herr Goebbels und Herr Haider). Ich finde, die PDS ist aber mehr.
Sie ist eine ernst zu nehmende Partei mit ihren Flügeln und ihren Ideologien. Und eben doch nur eine Partei, so träge und unflexibel, wie man es von deutschen Parteien gewohnt ist, und gerade deshalb auch nicht im Stande eine Kehrtwende in den vielen kahl geschorenen Köpfen in unserem Land hervorzurufen.
DIRK LÖCKMANN, Rostock
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