: Gegen Vaters Willen
■ Das neue Kindschaftsrecht läßt auf sich warten. Umstritten ist besonders das „gemeinsame Sorgerecht“ nach der Scheidung
Berlin (taz) – Die Reform des Kindschaftsrechts läßt auf sich warten, sie kommt frühestens Anfang nächsten Jahres. Ein Entwurf liegt zwar vor, aber nach wie vor ist das „gemeinsame Sorgerecht“ nach der Scheidung heiß umstritten. Über die Details gäbe es unter Rechtsexperten derzeit „heftige Diskussionen“, erklärt Siegfried Willutzki, Vorsitzender des Deutschen Familiengerichtstages.
Das Kabinett hat den Entwurf bereits verabschiedet. Er muß jetzt durch den Bundestag. Und der SPD-dominierte Bundesrat muß den neuen Regelungen ebenfalls zustimmen.
Die Vorlage sieht unter anderem vor, daß bei Scheidungsverfahren künftig nicht mehr automatisch über das Sorgerecht für die Kinder verhandelt wird. Bislang verfahren die Familienrichter nach einer Art Alles-oder-nichts-Methode, so Willutzki. In der Regel wird dem hauptsächlich betreuenden Ehepartner (meist der Mutter) das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Das gemeinsame Sorgerecht gewähren Familienrichter nur dann, wenn beide Ehepartner einen begründeten Antrag stellen.
Nach dem neuen Kindschaftsrecht bliebe das gemeinsame Sorgerecht aus der Ehe erst einmal bestehen. Zu einer juristischen Entscheidung kommt es nur, wenn die Mutter oder der Vater die alleinige Sorge beantragen. Den Antrag auf das alleinige Sorgerecht muß der betreffende Elternteil mit dem Kindeswohl begründen.
Genau dieser Punkt ist umstritten. Vertreterinnen von Frauenverbänden, der SPD und den Grünen befürchten, daß mit der neuen Regelung das Gericht die gemeinsame Sorge „zwangsweise“ weiter bestehen lassen könne. „Die vorgesehene Regelung hat zur Folge, daß immer dann, wenn das Gericht im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zu der Ansicht kommt, daß die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts nicht die kindeswohlfördernste Regelung ist, das gemeinsame Sorgerecht per Zwang, das heißt auch gegen den Willen eines Elternteils, weiter besteht“, bemängelt Christiane Schindler vom Unabhängigen Frauenverband in Berlin. Tatsächlich ist es – theoretisch zumindest – möglich, daß das Gericht im Streitfall nur über ein
zelne Punkte, wie etwa das Umgangs- oder Aufenthaltsrecht, entscheidet, aber das gemeinsame Sorgerecht nicht antastet.
SPD für „gemeinsamen Sorgeplan“ der Eltern
Verfechter der neuen Regelung verweisen darauf, daß auch bei der alleinigen Sorge diese häufig gegen den Willen des dann nicht sorgeberechtigten Elternteils verhängt wird. Mit dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge würde ein Elternteil, meist der Vater, nicht gleich „völlig herausgeschmissen“, erläutert Willutzki.
Aber auch die Rechtsexperten wünschen sich mehr juristische Handhabe. Bleibt nach einer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht bestehen, geht die Justiz nämlich davon aus, daß das Kind bei einem Elternteil den Lebensmittelpunkt behält. Dieser Elternteil soll „in den Angelegenheiten des täglichen Lebens“ das Sagen haben. In Fragen der Ausbildung oder bei schwerwiegenden „medizinischen Eingriffen“ hat dagegen laut Gesetzesbegründung dann der Elternteil ein Mitspracherecht, bei dem das Kind nicht wohnt. Wie weit diese „Mitsprache“ geht, darüber wünschen sich Rechtsexperten verbindlichere Aussagen. So ist zum Beispiel die Frage ungeklärt, ob der betreuende Elternteil mit dem Kind ohne Zustimmung des Ex-Partners in eine andere Stadt ziehen kann, erklärt Willutzki.
Die Bonner SPD-Fraktion fordert, daß Eltern im Scheidungsfall einen gemeinsamen „Sorgeplan“ erstellen müssen, um weiterhin das gemeinsame Sorgerecht behalten zu können. „Das würde aber bedeuten, daß der Kampf ums Sorgerecht dann doch durch die Hintertür wieder ins Scheidungsverfahren hereinkommt“, sagt Bernhard Böhm, Sprecher des Bonner Justizministeriums. Barbara Dribbusch
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